Schattenspiel
Arbeit nach Hause gekommen.
Als sie ins Wohnzimmer kam, lief der Fernseher. Sie zeigten gerade »Coronation Street«, die Endlosserie über ein paar Familien, die alle in derselben Straße wohnten. Peter war süchtig nach Serien.
»Möchtest du etwas von dem Salat probieren?« fragte Mary schüchtern.
»Ich hab keinen Hunger.«
Inzwischen hatte sie richtige Angst. Wenn Peter sich nun hintergangen fühlte? Immerhin war er überzeugt gewesen, daß sie die Pille nahm. Schweigend löffelte sie ihren Salat. Er schmeckte ihr nicht, ihre Kehle war wie zugeschnürt, und ihr Magen rebellierte. Sie wünschte, dieses alberne Fernsehstück würde enden, sie fühlte sich wie zerhämmert von den aufgeregten, laut schnatternden Stimmen.
»Geschmackvoll«, murmelte Peter, »wirklich sehr geschmackvoll, deine ganze Inszenierung hier.«
Mary blickte von ihrem Salat auf. »Wie meinst du das?«
»Feiern! Ausgerechnet heute! Ausgerechnet heute denkst du, wir müssen etwas feiern! Das ist wirklich fast wieder gut!«
»Ich verstehe nicht ...«
»Nein, Madame versteht nicht! Natürlich nicht. Glaubst du«, er schaute sie lauernd an, »glaubst du, ich bin von der Arbeit direkt nach Hause gekommen?«
»Ja, ich dachte...«
»Du dachtest wieder einmal! Du merkst doch, daß ich getrunken habe! Dann muß ich ja wohl in einer Kneipe gewesen sein, oder nicht?«
Als sie nicht antwortete, schrie er: »Muß ich doch wohl, verdammt!«
»Ja. Das mußt du wohl.«
»Siehst du. Und warum? Ich will es dir sagen. Ich will dir sagen, welchen Grund zum Feiern wir heute haben. Einen phantastischen, wunderbaren Grund!« Er legte den Kopf zurück und lachte brüllend. »Wir feiern meine Freiheit! Die Freiheit des Peter Gordon! Wie findest du es, einen freien Mann zu haben?«
»Einen freien Mann?« Verwirrt und ängstlich schaute sie ihn
an. Krachend setzte er sein Bierglas ab. »Jawohl. Ich bin ein freier Mann. Seit heute mittag. Seit sie mir gekündigt haben.«
»Peter!«
»Peter«, äffte er sie nach. »Ja, damit hat die gnädige Frau nicht gerechnet! Ihr Mann ist arbeitslos, Madam. Die guten Zeiten haben ein Ende!«
Welche guten Zeiten, fragte sie sich halb betäubt vor Schreck. Draußen brauste ein Zug vorbei. Für Sekunden übertönte er die Stimmen im Fernsehen.
»Keine Krabben mehr und kein Sekt«, fuhr Peter fast genießerisch fort, »und natürlich keine Ferienreisen. Das Arbeitslosengeld ist knapp. Wir werden uns ganz schön strecken müssen, um durchzukommen!« Er sagte natürlich nichts von dem Geld, das er nach wie vor von Marys Vater bekam. Es machte ihm Spaß, Mary zu erschrecken.
Sie brachte kein Wort hervor. Peter räkelte sich auf dem Sofa. »So. Jetzt bist du dran. Was wolltest du an diesem beschissenen Tag feiern?«
Sie begriff das alles nur ganz langsam und schwerfällig. Ich muß es ihm sagen, dachte sie, ich kann es nicht länger hinausschieben.
»Was ich feiern wollte? Ich...nun, vielmehr wir...«
»Ich verstehe kein Wort.«
»Wir werden ein Baby bekommen, Peter.«
Jetzt war er sprachlos. Er fand tatsächlich minutenlang keine Worte. Dann schließlich sagte er vollkommen fassungslos: »Das kann nicht wahr sein!«
»Doch. Ich weiß es seit heute mittag. Es ist ganz sicher.«
»Du nimmst doch die Pille! Es ist völlig ausgeschlossen, daß du schwanger bist!«
»Ich habe...«, sie wagte nicht, ihn anzusehen. »Ich habe sie seit einiger Zeit nicht mehr genommen.«
»Was?«
»Bitte, Peter, sei mir nicht böse. Ich habe mir so sehr ein Kind von dir gewünscht. Ich wollte es so gern. Ich will es auch jetzt noch. Versteh doch, daß...«
Peter sprang auf und stellte den Fernseher ab. Dann drehte er sich zu Mary um. Sie hatte ihn noch nie so wütend erlebt.
»Verdammt noch mal«, sagte er sehr leise, »du gehst ein bißchen weit mit deinen Scherzen.«
Sie erwiderte nichts, denn in seinen Augen las sie, daß er genau wußte, sie scherzte nicht. Plötzlich, von einer Sekunde zur anderen, brüllte er los: »Du Kuh! Du dumme Kuh! Du hast mich ’reingelegt! Deshalb die ganze Scheiße, neue Wäsche, Parfum, und ein Zimmer für uns allein! Alles von dir geplant, um mir ein Kind abzuluchsen! Und ich verdammter Narr denke noch, die Seeluft wirkt Wunder, weil meine Frau mich plötzlich wieder in ihrem Bett haben will! Den Teufel wolltest du! Als Zuchthengst war ich dir recht, nichts weiter, du hast...«
»Peter, bitte! Das ganze Haus kann ja zuhören!«
»Und wenn schon! Glaubst du, das interessiert mich? Sie werden es
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