Schattenspiel
fragte sie leise. Nach all den Jahren, und trotz der Berechnung, mit der sie ihn in ihr Bett geholt hatte, war da immer noch diese Sehnsucht nach Zärtlichkeit, dieser brennende Hunger. Ihre Augen bettelten. Peter krempelte sich die Ärmel seines Hemds hoch. »Doch. Klar war’s schön!« Er zog sie an den Haaren, es tat weh. »Zur Abwechslung mal wieder ganz nett, fandest du auch?«
»Ja«, erwiderte sie und rang sich ein Lächeln ab.
Die Tür fiel hinter Peter zu. Mary huschte ins Bett, rollte sich zusammen wie ein kleines Kind, umfaßte die Beine mit den Armen. Gleich würde sie anfangen zu weinen. Sie versuchte, ihre Gedanken auf etwas anderes zu konzentrieren – auf ein Baby. Ein Baby, davon war sie überzeugt, würde alles ändern.
Dezember 1981
Im Oktober hatte ihr der Arzt bestätigt, daß sie schwanger war. Von plötzlicher Furcht ergriffen, Peter könne darüber womöglich nicht so begeistert sein wie sie, ließ sie die Zeit bis Anfang Dezember verstreichen, ehe sie es ihm sagte. Sie bereitete den Augenblick der Wahrheit sorgfältig vor, beschloß, Peter mit einem Festessen zu überraschen und ihn dann vorsichtig mit den Tatsachen vertraut zu machen. Sie ging ins Delikatessengeschäft und kaufte Lammkoteletts, Bohnen und Kartoffeln und für die Vorspeise einen Waldorfsalat. Peter hatte bei einer Familie, für die er Gartenarbeiten erledigte, einmal einen vorgesetzt bekommen und schwärmte seitdem davon. Dann entschied sie sich noch für eine reif duftende Ananas, für Cocktailkirschen, Kiwis und eine Flasche Sekt. Zu Hause angekommen, saugte sie das Wohnzimmer, legte eine weiße Decke auf den Tisch, deckte das alte Geschirr mit Goldrand, das Peter von seiner Mutter geerbt hatte, und stellte eine honiggelbe Kerze in die Mitte. Rötliches Abendlicht floß in den Raum. Zufrieden betrachtete sie ihr Werk. Sie ging in die Küche und füllte den Salat in zwei hohe Gläser. Sie wollte Peter vorher ein Glas Sherry als Aperitif anbieten, aus den Kartoffeln Pommes Dauphin bereiten, die Ananasfrucht aushöhlen und sie wieder mit in Portwein getränkten Ananaswürfeln, Cocktailkirschen und Kiwis füllen und darüber geschlagene Sahne mit Krokantsplittern geben. Während sie die Sahne schlug, wurde ihr immer muliniger zumute, immer flauer im Magen. Sie schrak zusammen, als Cathy in die Küche kam. »Was ist? Feierst du ein Fest, Mummie?«
»Daddy und ich feiern ein Fest, Schatz. Macht es dir etwas aus, wenn du heute abend einmal allein in deinem Zimmer ißt? Nur heute! Weil ich Daddy etwas erzählen muß.«
»Was?«
»Das erzähle ich dir später auch. Ich verspreche es dir!«
Cathy maulte eine Weile, erklärte sich aber schließlich bereit, sich in ihr Zimmer zurückzuziehen. Mary hatte inzwischen heftiges Herzklopfen und spürte, daß ihre Handflächen feucht waren. Sie duschte, wusch sich die Haare und zog ein grünes Kleid an, von dem die Verkäuferin behauptet hatte, es passe ausgezeichnet zu ihren Haaren. Großzügig verteilte sie ihr Parfüm aus den Ferien im Ausschnitt und an den Armen. Als sie Peter an der Tür hörte, wurde ihr abwechselnd heiß und kalt.
Sie ging ihm entgegen. »Guten Abend, Peter.«
Er hatte getrunken. Eine Woge von Bierdunst schlug ihr entgegen, als sie näher an ihn herantrat. Sie wollte ihn mit einem Kuß begrüßen, aber er wandte sich ab. »Abend«, erwiderte er mürrisch.
»Bist du müde? Du siehst ein bißchen erschöpft aus!«
»Natürlich bin ich müde. Wärst du nicht auch müde, nach einem so langen Tag?«
»Doch. Aber ich habe auch etwas besonders Gutes für dich zum Essen gemacht.«
Er knurrte etwas und ging an ihr vorbei zum Wohnzimmer. In der Tür blieb er überrascht stehen. »Was, zum Teufel, soll das?«
Das Licht der Kerze beleuchtete flackernd Geschirr und Gläser. Peters Augen waren voller Zorn. »Was soll das?« wiederholte er mit einem gefährlichen Ton in der Stimme.
»Wir haben etwas zu feiern, Peter. Deshalb habe ich ein besonderes Essen vorbereitet. Es ist wirklich etwas Schönes, was ich dir zu sagen habe.«
»Feiern? Du sagst, wir feiern?« Er warf sich aufs Sofa, betrachtete angewidert die Sektgläser. »Hast du kein Bier?«
Sie lief in die Küche, brachte ein Bier. Es ging alles schief, alles ging jetzt schon schief. Er war so furchtbar schlechter Laune, noch schlimmer als sonst, und außerdem hatte er bereits getrunken. Er wurde immer aggressiv, wenn er trank. Aber wann hat er getrunken? überlegte sie. Der Zeit nach ist er direkt von der
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