Schattenspiel
gestürzt, weil er einen Schnaps nach dem anderen hinunterkippte — was für ihn keineswegs typisch war. Lorraine hatte entsprechend nervös angefangen, um ihn herumzuflattern und das kleine Mädchen zu spielen, das mit gespitztem Mündchen fragt, ob es etwas falsch gemacht habe. »Bist du böse auf mich, David? Hast du Lorraine nicht mehr lieb?« Sie plinkerte ihn mit ihren sorgfältig getuschten Wimpern traurig an. David haßte es, wenn sie so war. Sie ging ihm überhaupt furchtbar auf die Nerven in letzter Zeit, und außerdem war er immer mehr davon überzeugt, daß sie es im wesentlichen auf sein Geld abgesehen hatte.
»Es ist alles okay«, entgegnete er, eine Spur Verärgerung in seiner Stimme. »Ich brauch’ nur ein paar Schlucke.«
Lorraine beobachtete ängstlich, wie er zunehmend betrunkener wurde.
David hätte selber nicht recht zu erklären gewußt, was mit ihm los war. Irgendwie hatte er ein ungutes Gefühl, wenn er an das Fest dachte. Es hing mit Gina zusammen. Er hatte Angst, daß sie etwas Böses, Gehässiges in ihm provozieren könnte, was ihm nachher sehr leid tun würde. Er wollte unbedingt alles richtig machen, der vollkommene Freund sein, auch derjenige, der das teuerste Geschenk überreichte — was ihm mit dem echten Picasso, den er von New York nach Los Angeles hatte schaffen lassen, zweifellos gelingen würde. Gina sollte gar nicht anders können, als ihn für seine Großzügigkeit bewundern; außerdem hatte er vor, ihrem zukünftigen Mann zu fortgeschrittener Stunde noch einmal seine Unterstützung für einen möglichen Wahlkampf anzubieten. Nachdem der Demokrat Edmund Gerald Brown seit 1975 Gouverneur von Kalifornien gewesen war, hatte
seit November des vergangenen Jahres endlich wieder ein Republikaner, George Deukmejian, dieses Amt inne. Warum sollte der Kandidat der republikanischen Partei bei den Wahlen 1986 nicht John Eastley heißen?
Das würde er John sagen. Und John würde es Gina erzählen. »David hält es durchaus für möglich, daß ich der nächste Gouverneur von Kalifornien werde, Gina. Er hat mir seine Hilfe zugesagt.«
Und Gina würde denken, was für ein guter Freund David doch ist!
Aber so sehr er alles gut und richtig und perfekt machen wollte, er traute sich selber nicht über den Weg. Gina weckte seine boshafte Ader — nicht, wenn er an sie dachte, aber wenn er ihr gegenüberstand. Es hing wohl mit der Bewunderung zusammen, die er für sie hegte. Von allen Freunden war sie diejenige, auf deren gute Meinung er am meisten Wert legte — und die am unbestechlichsten darauf beharrte, keine gute Meinung von ihm zu haben. Steve, Mary und die kluge Nat verloren zu haben, tat ihm weh, aber die kühle Verachtung und abweisende Distanz der schönen, starken, selbstsicheren Gina peinigte ihn mehr als alles andere. Es hatte ihm Vergnügen bereitet, damals bei seinem ersten Besuch in Los Angeles die alte Geschichte von St. Brevin zu erwähnen und das Erschrecken zu bemerken, das ihre Überlegenheit für ein paar Momente aufweichte. Er hatte es genossen, sie zu verunsichern, und nachher hatte er es bitter bereut. Aber inzwischen reizte es ihn schon wieder — ja, er wollte sie verletzen und ängstigen, so sehr, daß sie ihn immer in ihrem Gedächtnis behalten würde.
Nein, das wollte er nicht. Er war verliebt in sie, das war es, er war immer in sie verliebt gewesen. Man tut jemandem nicht weh, den man liebt. Der Schnaps benebelte sein Hirn, seine Gedanken verwirrten sich, er wußte nicht mehr, was er wollte und was nicht, und ironischerweise war das irgendwie der Zustand, in dem er schon immer gelebt hatte.
Er kippte einen weiteren Schnaps, vielleicht, wenn er betrunken genug war, würde er nichts tun, was ihn nachher reute, er
würde sich müde und schwerfällig fühlen und den Mund halten. Er nahm Lorraines Arm. »Komm, Lorraine. W... wir müssen jetzt gehen.« Er schob sie zur Tür hinaus und dachte, ich werde mich bald von ihr trennen. Sehr bald.
Unbegreiflicherweise schlug die Stimmung auf dem Fest trotz der stickigen Luft hohe Wellen. Vielleicht auch deshalb, weil alle Gäste wegen der Hitze reichlich tranken und der Alkohol sofort eine beachtliche Wirkung zeigte. Alles, was in Los Angeles Rang und Namen hatte, war gekommen: Schauspieler, Filmproduzenten, Schriftsteller, hohe Juristen, Politiker, Journalisten, ein beliebter Friseur, ein berühmter Gastronom, sogar ein ehemaliger Bankräuber, dessen Präsenz inzwischen als schick galt. Überall im Garten leuchteten
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