Schattenspiel
nein!«
Er zog sie noch enger an sich. Sie entspannte sich wieder, atmete seinen Geruch und spürte, wie ihr Widerstand zerbrach. Als sie einwilligte, küßte er sie, dann lag er die halbe Nacht wach und schmiedete Pläne. Sie sagte kaum etwas, starrte nur in die Dunkelheit und fragte sich, wovor sie Angst hatte.
Sie beschlossen, noch im August zu heiraten. John mußte für zwei Wochen nach Europa, und er meinte, Gina sollte ihn begleiten. Er hatte gerade mit einem sehr interessanten Fall im Zusammenhang mit der OPEC zu tun und wollte sich mit einigen Mitgliedern dieser ölexportierenden Vereinigung in Wien treffen. Da er gleich nach seiner Rückkehr in einer anderen Sache nach Seoul würde fliegen müssen, hielt er es für das beste, in Wien zu heiraten.
»Immerhin ist es auch eine sehr romantische Stadt«, meinte er. »Bist du einverstanden, Gina?«
»Natürlich. Aber was machen wir mit unseren Freunden und Bekannten? Meinst du nicht, sie sind uns böse, wenn wir alles ohne sie stattfinden lassen?«
»Wir könnten kurz vor unserer Abreise hier noch eine große Verlobungsparty geben. Dann kann sich keiner beklagen.«
»In Ordnung.« Nachdenklich rührte Gina in ihrer Kaffeetasse. Sie saßen beim Frühstück auf der Terrasse, vor ihnen lagen knusprige Brötchen, standen Töpfe mit Marmelade. Ein überwältigender Blumenduft strömte aus dem Garten herauf.
»Die Zeitungen sind übrigens voll von deiner Freundin Natalie«, sagte John und schob ihr die »Sun« über den Tisch. »Offenbar war sie gestern zu Gast bei Johnny Carson. Und sie muß vor Gott und der Welt erklärt haben, mit einer anderen Frau intime Beziehungen zu unterhalten. Das Publikum läuft Sturm.«
Gina blickte in die Zeitung. »Amerikas beliebteste Fernsehmoderatorin bekennt sich öffentlich dazu, lesbisch zu sein« sprang ihr die Schlagzeile ins Auge. Und darunter stand: »Die als kühl und konservativ geltende TV-Journalistin Natalie Quint, bekannt und beliebt durch ihre Sendung ›Famous Faces‹, gestattete zum erstenmal Einblicke in ihr Intimleben. War es bislang nur ein vages Gerücht, daß zwischen ihr und der französischen Schauspielerin Claudine Combe sexuelle Beziehungen bestehen, so erklärte die junge Frau gestern abend in der Talkshow von Johnny Carson, diese Gerüchte entsprächen voll und ganz der Wahrheit.
Sie löste damit mehr Wirbel aus, als ihr lieb sein dürfte. Hunderte von empörten Zuschauern blockierten noch in der Nacht die Telefonleitungen von ABC. Es sollen sogar Morddrohungen eingegangen sein. Gegenüber Reportern erklärte die junge Frau inzwischen, sie werde die USA verlassen und nach Europa zurückgehen.«
»Großer Gott«, sagte Gina, »ich verstehe wirklich nicht, warum sich die Leute so aufregen. Nats Privatleben geht sie einen Scheißdreck an!«
»Wer in der Öffentlichkeit steht, hat nicht in dem Sinne ein Privatleben«, erklärte John. »Das war etwas, was auch Veronique nie einsehen wollte.« Zum erstenmal in ihrer langen gemeinsamen Zeit erwähnte er von sich aus seine verstorbene Frau.
Gina runzelte die Stirn. »Einsehen wollte sie es vielleicht
schon«, meinte sie, »aber womöglich konnte sie nicht damit leben.«
»Man muß aber damit leben«, beharrte John. »Die Menschen wollen eine prominente Person nicht nur auf der Bühne erleben. Sie wollen hinter die Kulissen schauen. Ob es sich um einen Politiker, einen Schauspieler oder einen Wirtschaftsboss handelt — das Publikum will sich identifizieren können, und dazu braucht es Einblicke ins Private. Und das muß dann auch noch den allgemeinen Vorstellungen entsprechen. Wehe, sie werden enttäuscht!«
»Und Natalie hat sie enttäuscht?«
»Schwer sogar. Natalie hatte ein bestimmtes Image, das nun vollkommen erschüttert wurde. Natalie war nun einmal die kühle Intellektuelle mit Charme, Eleganz und Zurückhaltung. Eine gutaussehende Frau — aber ohne Sex.«
»Es gibt keinen Menschen ohne Sex. Was wäre, wenn sie mit einem Mann schliefe? Das würde das Publikum akzeptieren, oder?«
»Das wäre normal. Nicht anrüchig.«
»Was ist anrüchig daran, wenn Frauen miteinander schlafen?« rief Gina aufgebracht. »In welchen Zeiten leben wir denn?«
»Liebling, mich mußt du nicht überzeugen. In diesem Fall finde ich die Leute genauso dumm wie du. Aber es ist nun mal so, und wir können es nicht ändern. Deine Freundin hätte unbedingt aufpassen müssen, was sie sagt!«
Ginas Stimme klang bitter. »Ja, immer aufpassen, was man sagt! Um Gottes
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