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Schattenspiel

Schattenspiel

Titel: Schattenspiel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlotte Link
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stolz auf ihn sein.«
    Die Bilder glitten jetzt rasch durch Johns Gedächtnis. Da war er als Junge, er hatte Schulsportwettkämpfe gewonnen, und Dad sagte zu ihm: »Du wirst mich nie enttäuschen. Ich weiß es.«
    »Diesmal muß es die richtige Frau sein. Es muß ! Du mußt dich sofort von dieser Frau trennen.«
    John lehnte sich ins Polster zurück. Das erste Gefühl der Entspannung war verschwunden. Er begann zu grübeln.
    Gina merkte sofort, daß etwas nicht in Ordnung war. John lächelte ihr zwar zu, als er wenige Minuten nach sechs Uhr das Cafe Sacher betrat, aber sie spürte, daß dieses Lächeln verkrampft war.

    Irgend etwas heute nachmittag ist schiefgelaufen, dachte sie.
    »Liebling, es tut mir furchtbar leid, ich bin aufgehalten worden. Bitte sei mir nicht böse.« Er setzte sich.
    »Ich habe mir eine gemütliche Wartezeit gemacht«, sagte Gina betont munter, »nur meiner Figur ist es wahrscheinlich nicht bekommen. John, warum gibt es hier so herrliche Süßspeisen? Ich kann einfach nicht aufhören zu essen!«
    Er neigte sich vor und gab ihr einen leichten, hingehauchten Kuß auf die Wange, seine Lippen fühlten sich dabei kühl an. »Es freut mich, wenn es dir schmeckt. Möchtest du noch ein Stück Torte?«
    »Ich glaube, wir sollten uns jetzt lieber umziehen, was meinst du?«
    Er zögerte. Sah sie nicht an. Sie griff nach seiner Hand. »Was ist los? Irgend etwas ist passiert. Du bist ja ganz blaß. Und nervös! «
    »Gina... es hat ein bißchen Ärger gegeben.«
    Eine Kellnerin näherte sich dem Tisch. »Hat der Herr einen Wunsch?«
    »Ja, eine Tasse Tee, bitte. Gina?«
    »Kaffee. John, was ist los?«
    »Wir werden heute abend nicht zu diesem Empfang gehen.«
    »Nein?«
    »Nein. Mir wurde nämlich heute nahegelegt, mich...von dir zu trennen.«
    Seltsamerweise gab es keine Explosion, kein Erdbeben, keinen Blitz. Sie saßen immer noch auf ihren weichgepolsterten Stühlen in dem kleinen freundlichen Cafe, das jetzt schon in das sanfte Dämmerlicht des Abends getaucht dalag. Mit leisen Schritten bewegte sich die Kellnerin zwischen den Tischen. Nur noch ein Paar saß im Raum, zwei sehr junge Leute. Gina hatte sie schon die ganze Zeit beobachtet. Sie schienen Zeit und Ort völlig vergessen zu haben, hielten einander an den Händen, tauchten einer in die Augen des anderen. Sie waren wie Kinder, die etwas Neues, Wunderbares erleben. Die ganze Zeit war es Gina durch den Kopf gegangen: So ist es mit mir und John auch. Immer
noch, nach all der Zeit. Es ist immer noch etwas Einmaliges und Wunderbares.
    Auf einmal war es ihr, als sterbe diese Empfindung, als bliebe ihr Körper leer und kalt zurück.
    Die Kellnerin brachte Tee und Kaffee. Gedankenverloren rührte John in seinem Glas, obwohl er weder Milch noch Zucker hineingetan hatte. »Es war eine häßliche Unterredung«, sagte er. Er hatte zwei Falten über der Nase, die er immer bekam, wenn er sich Sorgen machte.
    »Mit wem hast du gesprochen?«
    »Oberstleutnant Munroe. Ein verknöchertes Fossil, durch und durch ehrlich und loyal. Ich meine: Loyal der Partei gegenüber. Das Schlimme ist, er ist ein Mann, dem man glauben muß, was er sagt.«
    »Was genau hat er gesagt?« fragte Gina, erstaunt, wie ruhig ihre Stimme klang. Sie nahm einen Schluck Kaffee und verbrannte sich den Mund, aber sie merkte es kaum.
    »Er sagt, daß ›man‹ unsere Beziehung mit Sorge beobachtet und fürchtet, diese Geschichte von dir und Natalie Quint könnte mich Stimmen kosten. Das kann schon so sein.«
    »Im 20. Jahrhundert? In Amerika?«
    John lächelte müde. »Denk daran, wer die ersten Siedler in diesem großartigen Land waren. Die Puritaner, die mit der Mayflower kamen. In mancher Hinsicht haben sich ihre Nachfahren kaum verändert.«
    »Verstehe. Dann... müssen wir uns also trennen.«
    »Gina...«
    »Es ist doch klar, wenn wir zusammenbleiben, wirst du nicht für die Gouverneurswahlen aufgestellt. Denn ganz gleich, wieviel Zeit vergeht, deine Gegner würden diese Geschichte immer wieder auskramen und gegen dich verwenden. Und einen Stimmenverlust kann sich niemand leisten.«
    »Du klingst so zynisch.«
    »Wirklich?« Worauf habe ich gewartet? fragte sie sich. Darauf, daß er meine Hand nimmt und sagt: Aber natürlich interessiert mich das alles überhaupt nicht. Wir bleiben zusammen, und
wenn ringsum die Welt einstürzt. Was bedeutet es mir noch, Gouverneur zu werden, wenn ich dich verliere!
    Er neigte sich vor, und nun griff er tatsächlich nach ihrer Hand. »Gina, ich weiß im

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