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Schattenspiel

Schattenspiel

Titel: Schattenspiel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlotte Link
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ich nur an Betty Ford und ihre Alkoholtragödie denke, oder an...«
    »Betty Ford«, unterbrach Munroe sanft, »hatte nicht während des Wahlkampfes ihres Mannes mit Alkohol zu tun. Das kam erst später. Es tut mir wirklich leid, Mr. Eastley, man hält Sie für einen sehr guten Mann, aber man sieht Ihre Verbindung mit Miss Loret als problematisch und riskant an. Sie wissen doch, wie das ist, man redet einfach, und eine allgemeine Meinung entsteht. In Ihrem Fall ist sie entstanden.«
    »Warum hat man mir das nicht drüben in Los Angeles gesagt? Warum erfahre ich das jetzt in Wien?«
    Munroe lächelte zynisch. »Es hat sich weiß Gott niemand darum gerissen, Ihnen etwas so Unangenehmes zu sagen. Schon gar nicht ihre Parteifreunde in den Staaten. Man will sich durchaus weiter gut mit Ihnen stellen, Eastley!«
    »Wie nett!«
    »Sie wissen, daß ich mit Ihnen nicht gesprochen habe, um mich wichtig zu machen. Auch nicht aus Lust am Tratsch. Sondern
weil irgend jemand es sagen mußte, Nun, das habe ich getan, alles weitere liegt bei Ihnen.« Munroe erhob sich, er sah das Gespräch als beendet an.
    Auch John stand auf. »Unter diesen Umständen«, sagte er, »werde ich natürlich nicht an dem Empfang heute abend teilnehmen. «
    »Es wäre in jedem Fall besser, wenn Sie ohne Begleitung erschienen. «
    »Was natürlich nicht in Frage kommt.« Verhaltener Zorn klang in Johns Stimme. »Sie gehen hoffentlich nicht davon aus, daß ich mich in dieser Weise unter Druck setzen lasse?«
    »Ich gehe von überhaupt nichts aus«, sagte Munroe reserviert. Er reichte John die Hand. »Auf Wiedersehen, Mr. Eastley. Ich wünsche Ihnen noch einen angenehmen Aufenthalt in Wien. Ich persönlich«, er schüttelte sich angewidert, »mag diese Stadt nicht. Zuviel Kitsch, zuviel Verlogenheit. Aber das ist Geschmacksache. « Fort war er. Mit einem leisen Klicken fiel die Tür hinter ihm zu. John ließ sich auf einen Stuhl fallen. Er hätte dringend fahren müssen — es war beinahe halb sechs —, aber im Augenblick schien es ihm, als habe ihn alle Kraft verlassen. Er fühlte sich zu schwach, um aus dem Botschaftsgebäude zu gehen und ein Taxi zu winken. Er sah um sich herum einen Haufen Scherben und wußte nicht, wie er ihn beseitigen sollte. Seine erste Gefühlsaufwallung war Trotz: Was bildeten sich diese Schwachköpfe ein? Was glaubten sie eigentlich, wie weit sie gehen konnten? Was glaubten sie, wie sie über Gina reden durften? Diese Frau hat mehr Format als sämtliche führenden Köpfe der Republikanischen Partei zusammen, und nur weil ein versoffener Schwätzer...
    Mit der Wut kam seine Energie zurück. Entschlossen stand er auf. Viertel vor sechs. Gina wartete auf ihn. Und er ließ sie warten, weil ein paar großkotzige Politprofis meinten, sie sei nicht die richtige Frau für ihn. Sie sollten ihren blöden Empfang heute abend allein geben! Ein Gefühl von... ja, beinahe Erleichterung durchflutete ihn. Der Kampf hatte ein Ende, er würde alles hinwerfen. Von nun an brauchte er nicht mehr in irgendwelchen
Botschaften zu irgendwelchen Festen anzutanzen. Er mußte nicht mehr darauf achten, daß er die aufgetakelte Frau eines wichtigen Mannes auch genügend umschmeichelte und mußte keine Angst haben, in einer Zeitung einen Artikel über sich zu finden, der womöglich karriereschädigend sein könnte. Er begriff, unter welchem Druck er gelebt hatte, all die Jahre. Angst, etwas Falsches zu sagen. Angst, eine unpopuläre Meinung zu vertreten. Angst, eine wichtige Party zu versäumen. Angst, nicht immer dort zu sein, wo man war. Warum nur hatte er sich diesem Zwang gebeugt, Jahr um Jahr?
    Er trat aus der Botschaft, und warmer Abendsonnenschein empfing ihn. Der blaue Himmel, der würzige Duft im Wind kündigten den Herbst an. Wie schön war das Leben. Sie würden essen gehen heute abend, in ein schönes, gemütliches Restaurant. Der Schein der Kerze würde sich in Ginas Augen spiegeln. Er konnte sich das Lächeln auf ihrem Gesicht vorstellen, dieses bezaubernde, warme Lächeln, das ihm Ruhe und Kraft gab. Er würde nie ohne dieses Lächeln leben können.
    Als er im Taxi saß und durch Wien fuhr, kam ihm plötzlich sein Vater in den Sinn. Ungerufen und ungewollt. So, wie er immer dagewesen war, um das Leben seines Sohnes in die Richtung zu dirigieren, in der er es haben wollte.
    »Eines Tages«, sagte Dad mit klarer, fester Stimme, »eines Tages wird mein Sohn zum Präsidenten der Vereinigten Staaten von Amerika gewählt werden. Und ich werde sehr

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