Schattenspiel
er betrete einen Gefrierschrank. »Nun«, fragte er, »worum geht es?«
Munroe zündete sich eine Zigarette an, nachdem er John die Schachtel hingestreckt und dieser dankend abgelehnt hatte. »Wir machen uns Sorgen um Sie«, sagte er.
»Wer ist wir?« fragte John sofort zurück.
Munroe setzte sich, aber John blieb stehen; er hatte keine Lust, die nächsten Stunden hier zu verbringen. »Wer?« wiederholte er.
»Ihre Freunde in der Republikanischen Partei. Jene, die Sie gerne als Gouverneur sähen. Alle, die glauben, daß Sie es schaffen könnten.«
»Aha. Und weshalb machen sie sich Sorgen um mich?«
»Nun...« Munroe schien nach Worten zu suchen. Offenbar hatte er eine heikle Mission übernommen. »Es hat da vor einer Woche diesen Skandal um Ihre Verlobte gegeben. Sie wissen, was ich meine? Es ging durch alle Zeitungen.«
»Natürlich weiß ich, was Sie meinen. Diese Geschichte, die ein Betrunkener aufgebracht hat. Sie werden nicht im Ernst erwarten, daß ich über diesen Unsinn noch einmal rede!«
» Man redet darüber, Mr. Eastley, und das ist der springende Punkt. Sie können das nicht ignorieren. Ich kann Ihnen nicht verhehlen, daß Sie unter diesen Umständen keine allzu großen Aussichten haben, bei der nächsten Gouverneurswahl als Kandidat aufgestellt zu werden.«
»Wie bitte?« John nahm nun doch Platz, etwas verwirrt und erschreckt. Das Schlimme war, daß man Oberstleutnant Munroe immer jedes Wort, das er sagte, glauben mußte. Er war kein Tratschweib. Wenn er etwas sagte, dann hatte er sich hundertmal vergewissert, daß es stimmte.
»Möchten Sie vielleicht doch eine Zigarette?« fragte er.
Jetzt nahm John eine, zündete sie an und tat einen langen, kräftigen Zug. »Das ist doch alles vollkommen absurd«, sagte er.
»Miss Loret und ich wollen morgen heiraten. Was wirft man ihr vor?«
Munroe war das ganze Thema sichtlich peinlich. »Ihre... äh... zukünftige Frau ist... äh, in Beziehung gestellt worden zu dieser Fernsehjournalistin, die...« Er brach ab und setzte taktvoll hinzu: »Sie wissen doch, worum es geht, Mr. Eastley!«
»Sicher. Aber ich verstehe nicht, wie man hier das Geschwätz eines Betrunkenen, das von der Presse auf die übliche unerträgliche Weise hochgeputscht wurde, ernst nehmen kann. Wirklich, Oberstleutnant, für gewöhnlich hat man doch in unseren Reihen etwas mehr Format.«
»Die Frau eines Gouverneurs muß makellos sein.«
»Es gibt keinen makellosen Menschen.«
»Sie wissen, was ich meine. Natürlich hat jeder eine Vergangenheit, und natürlich wird es da immer den einen oder anderen dunklen Punkt geben. Aber in Maßen! Ich meine, bei der Frau eines Gouverneurs sollte nicht plötzlich herauskommen, daß sie irgendwann einmal abgetrieben hat. Oder daß sie Rauschgift genommen hat. Oder eben, daß sie...« Wieder sprach er nicht weiter.
John musterte ihn ironisch. »Warum sagen Sie es nicht? Die Frau eines Gouverneurs sollte keine lesbische Vergangenheit haben.«
Munroe errötete sanft. »Ja«, murmelte er verlegen.
»Tatsache ist: Gina Loret hat keine.«
»In Ordnung. Das will ich ihr auch nicht nachsagen. Aber die Presse hat ihr diesen Mantel umgehängt. Es tut mir leid, Eastley, aber wir können es nicht riskieren, deshalb Stimmen zu verlieren.«
»Die Wähler sind nicht so rückständig, wie ihr immer alle glaubt!«
»In mancher Hinsicht«, entgegnete Munroe ruhig, »sind sie sogar noch viel rückständiger.«
John hatte das Gefühl, als ziehe ihm jemand den Boden unter den Füßen weg. »Ich glaube, ich brauche mir das nicht anzuhören. «
»Nein. Aber das wird nichts ändern.« Munroe betrachtete sein Gegenüber mitleidig. »Sie sind ein bekannter und bedeutender Rechtsanwalt. Das werden Sie immer sein. Sie haben Geld und Einfluß. Wenn Sie sich damit zufriedengeben, sind Sie trotzdem ein Mann, der es zu etwas gebracht hat im Leben. Sie müssen ja nicht Gouverneur werden!«
John starrte ihn an. »Stellt man mich ganz klar vor die Wahl? Wenn ich eine Chance haben will, von der Partei für die Gouverneurswahlen aufgestellt zu werden, muß ich mich von Gina Loret trennen?«
»Kraß formuliert: Ja.«
»Was heißt ›kraß formuliert‹? Ja oder nein?«
»Ja.«
»Und wer verlangt das?«
»Man verlangt das. Verstehen Sie nicht? Man redet über Sie und Miss Loret. Man sagt, mit dieser Frau an Ihrer Seite verschenken Sie Wählerstimmen.«
»Mein Gott, als ob nicht auch die Frauen anderer Politiker zu allen Zeiten irgendwelche Makel gehabt hätten! Wenn
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