Schattenspiel
Moment einfach nicht, was ich sagen, denken oder tun soll. Seit ich klein war, habe ich für den Traum von einer großen Karriere gelebt. Ich habe so viel investiert...«
Bitter sagte sie: »Dann war es mein Pech, daß ich für dich gelebt habe. Idiotisch, so etwas zu tun!«
»Gina...« Er überlegte, ob er ihr von seinem ersten Gefühl der Befreiung erzählen sollte, das er vorhin im Botschaftsgebäude verspürt hatte, aber dann dachte er, es sei besser, das noch nicht zu tun. Tausend Gedanken gingen ihm durch den Kopf... er war verwirrt, durcheinander...er brauchte Zeit. Ja, das war es. Zeit. Er mußte die Chance haben zu überlegen, vielleicht mit dem einen oder anderen seiner Freunde in Los Angeles sprechen. »Gina, würdest du es verstehen, wenn ich dich bitte, daß wir die Hochzeit verschieben? Ich muß ein paar Dinge klären, und es würde mir die Sache erleichtern, wenn wir nicht gleich morgen heirateten. Es ist ...« Er merkte, wie seine Worte für Gina klingen mußten. »Verdammt, es tut mir alles so leid.«
»Warum? Ich habe die unsaubere Vergangenheit, nicht du!«
Ich bin ein Feigling, dachte er.
»Gib mir Zeit«, bat er.
In ihren Augen standen Wut und Traurigkeit, die nicht zu ihrer frostkalten Stimme paßten. »Findest du nicht, daß du ein bißchen viel verlangst, John? Was meinst du wohl, wie das Warten für mich aussieht, während du hin und her überlegst, wie du am besten deine Karriere rettest? Was mutest du mir zu?« ihre Stimme wurde lauter, neugierig blickte die Kellnerin zu ihnen herüber.
»Leise«, mahnte John.
Gina nahm sich zusammen. »Der Mann, den ich liebe, erbittet von mir eine Frist, in der er überlegen kann, ob er mich oder seine Karriere opfert. Sag mir, wie ich das aushalten soll!« Zu ihrem Entsetzen merkte sie, daß ihr Tränen in die Augen stiegen. Verzweifelt kämpfte sie dagegen an. Alles — nur jetzt nicht weinen.
Sie griff nach ihrer Handtasche. »Vielleicht erlaubst du, daß ich unter diesen Umständen eine räumliche Trennung brauche. Ich kann jetzt nicht hierbleiben.«
John, der sein Gesicht in den Händen vergraben hatte, blickte auf. »Wo willst du denn hin?« fragte er beunruhigt.
»Das kann dir doch gleich sein, oder? Du brauchst ja Zeit und Ruhe, um nachzudenken. Ich fürchte nur, ich kann dir jetzt schon sagen, wie deine Entscheidung ausfallen wird!«
»Nein, das kannst du nicht.«
»O doch. Du wirst dich für deine Karriere entscheiden. Warum auch nicht? Nach all den Mühen, nach allem, was du dafür schon getan hast. Irgendwie, weißt du, habe ich das alles immer gewußt. Man hat oft im Leben eine Vorahnung, und ich hatte die Ahnung, daß David mir etwas zerstören würde und du mich verlassen würdest. Auch Gipsy hat...« Sie brach ab, als sie Johns Blick bemerkte.
»Ich habe mich schon gefragt«, sagte er, »wann du dieses Gewicht in die Waagschale werfen würdest.«
Erst verstand sie nicht. Aber dann begriff sie und wurde blaß. »Du hast schon eine ungeheuer schlechte Meinung von mir, John Eastley«, sagte sie, »und vielleicht hast du recht: Heirate keine Frau, der du zutraust, sie könnte dich verraten!«
Sie stolperte zwischen den Tischen und Stühlen hindurch zur Tür. Draußen blieb sie keinen Moment stehen, sondern eilte weiter, hinein in die Operntiefgarage gegenüber dem Hotel. Im Laufen kramte sie in ihrer Handtasche nach den Autoschlüsseln. Sollte John sich doch einen anderen Wagen mieten. Als sie anfuhr, hatte sie keine Ahnung, wohin sie wollte, aber das war ihr in diesem Moment auch völlig gleichgültig. Nur fort, so weit sie konnte. Rasch fädelte sie sich in den fließenden Verkehr ein. Sie dachte an ihr schönes Abendkleid, das ausgebreitet auf dem Bett im Hotel lag. Oh Gott, wie sie diese Stadt haßte!
Sie sah das Schild, das die Aufschrift »Eisenstadt« trug; der Name sagte ihr nichts, aber sie beschloß, ihm zu folgen.
5
Gegen neun hielt sie in einem kleinen Dorf — sie hatte keine Ahnung, wo sie war — kramte ihre spärlichen Deutschkenntnisse aus der Schule hervor und fragte einen älteren Mann, der die eintönige Straße entlangkam, nach einem Hotel.
»Ein gutes Hotel«, fügte sie hinzu. Der Mann betrachtete das große Auto und den schweren Goldschmuck, den Gina am Handgelenk trug. Sie hatte deutsch gesprochen, jedoch mit unüberhörbar ausländischem Akzent. Zweifellos eine reiche Frau.
»Da fahren Sie am besten nach Rust«, meinte er, »ins ›Seehotel‹. Das feinste, was es in der Gegend gibt!«
»Und wie
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