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Schattenspiel

Schattenspiel

Titel: Schattenspiel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlotte Link
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wollte, Strumpfhosen und Kosmetik. So konnte sie ein paar Tage überstehen. Sie beschloß, noch ein wenig herumzufahren und sich die Gegend anzusehen.
    Es war der 20. August 1983, der Tag, der ihr Hochzeitstag hätte sein sollen.

     
    31. August 1983. John hatte zum dritten Mal an diesem Tag im Hotel Sacher in Wien angerufen. »Mrs. Loret hat sich immer noch nicht gemeldet?«
    »Nein, Mr. Eastley. Es tut uns leid.«
    Erschöpft hängte er ein. Er saß in seiner Kanzlei in Los Angeles und wußte nicht, wo er nach Gina suchen sollte. Hielt sie sich noch in Wien auf? An einem anderen Ort in Österreich? War sie nach Deutschland oder in die Schweiz gefahren oder heim nach England? Er wünschte, er hätte einen Anhaltspunkt.
    Er selber war am nächsten Tag nach Los Angeles geflogen, in der Absicht, mit seinen engsten Parteifreunden über alles zu sprechen. Wie sich herausstellte, hatte Munroe mit seinen düsteren Prophezeiungen recht gehabt: Unmißverständlich erklärte man John, im Falle seiner Eheschließung mit Gina Loret könne er kaum damit rechnen, als Kandidat für die Gouverneurswahlen aufgestellt zu werden. Clay Anderson, Johns bester Freund, sagte: »John, das ist von niemandem böse gemeint. Wir alle mögen Gina. Es ist eine verdammt unangenehme Sache, daß sie mit dieser... dieser Quint in Verbindung gebracht wurde. Hast du mitbekommen, was noch in der Nacht von Carsons Talkshow passierte? Die Zuschauer haben fast zum Sturm auf ABC geblasen. Die Wogen der Empörung gingen haushoch. Natalie Quint verläßt nun sogar die Vereinigten Staaten. Stell dir vor, das passiert dir mitten im Wahlkampf mit Gina! Die Partei kann sich das nicht leisten!«
    »Verstehe.«
    »John!« Clay hatte ihn sehr gerade angesehen. »Du mußt dich entscheiden, ob es dir das wert ist. Ob dein Herz so sehr an einer politischen Karriere hängt, daß du Gina Loret dafür hergibst. So oder so — ich bin dein Freund.«
    Gina hergeben...
    Da waren die vielen Bilder, die er immer im Gedächtnis mit sich herumtrug: Der Tag, an dem er Gina kennengelernt hatte. Dieses schöne Mädchen mit den taillenlangen dunklen Haaren, das diese grauenhaften Kitschgemälde eines alten Malers durch Manhattan schleppte. Wie sie da gesessen hatte in dem kleinen
Cafe und ihre Pancakes verschlungen hatte. In einer Zeit, in der fast alle Frauen hysterisch von ihrem Übergewicht sprachen und sich nur von Salatblättern und Körnern ernährten, war es ihm ein Vergnügen gewesen, diesem Mädchen zuzusehen, das mit Heißhunger alles in den Mund steckte, was es auf dem Tisch finden konnte.
    Die erste Nacht mit ihr fiel ihm ein. Hatte sie bemerkt, wie heftig sie sich an ihn klammerte? Und all die folgenden Nächte, in denen sie einander in den Armen hielten und alles, was böse, kalt und feindlich in dieser Welt war, von sich wiesen. Er hatte ihr Bild vor Augen, wie sie aussah, wenn sie morgens aufwachte, ihr Blick noch nicht klar und etwas verwirrt. Konnte er je wieder leise vor sich hinpfeifend in die Kanzlei fahren, wenn Gina ihm nicht vorher am Frühstückstisch gegenübergesessen hatte? Manchmal blickte sie gedankenverloren an ihm vorbei, dann neckte er sie: »Hallo, Agatha Christie!«
    Ihre Augen blitzten: »John, wie schnell wirkt Zyankali?« »John, ich habe mir ein traumhaftes Kleid gekauft, du mußt es dir gleich anschauen!«
    »John, ich platze gleich vor lauter Liebe zu dir!«
    »John? Ist alles okay?« Das war Clay.
    John riß sich zusammen. »Alles okay. Hör zu, Clay, ich liebe Gina. Ich liebe sie mehr als irgend etwas sonst auf der Welt. Wenn ihr glaubt, ihr könnt mich nicht zum Gouverneur machen, weil ich mit Gina verheiratet bin, dann ist das euer Pech, denn ihr verliert einen guten Mann, aber ich werde deshalb nicht den Menschen aufgeben, den ich brauche, um überhaupt leben zu können. Gina ist alles für mich, aber ich Idiot habe das nicht gleich erkannt.«
    »Bist du sicher, John?«
    »Vollkommen sicher. Und jetzt werde ich in der Welt herumtelefonieren, denn irgendwo muß dieses Mädchen schließlich stecken.«
    Nachdem Clay gegangen war, rief John in halbstündigem Abstand in Wien an, um zu erfahren, ob Gina sich gemeldet hatte. Kein Mensch wußte etwas. Sekundenlang überfiel ihn eine heftige
Unruhe: Sie würde sich doch nichts angetan haben? Dann aber sagte er sich, daß sie stark war, eine Kämpfernatur, nicht eine, die sich aus dem Leben stahl.
    Schließlich gab er es auf, im Sacher anzurufen; die Leute dort konnten Gina schließlich nicht

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