Schattenspiel
sich herum. Von dem Gut gehört uns ohnehin schon nichts mehr, und die Gläubiger rennen uns die Türen ein. Charles steht mit hängenden Armen da, begreift nichts, tut nichts, schaut mich nur an wie ein Kind, das auf Hilfe wartet. Er leidet wie ein Hund. Ich für mich hätte David um keinen halben Cent gebeten, aber für Charles beschloß ich es zu tun. Um den armen Kerl irgendwann einmal wieder lächeln zu sehen.«
»Aber Sie lieben ihn bis heute nicht?«
»Nein, und ich werde ihn auch nie lieben. Aber ich habe ihn nun einmal geheiratet. Kennen Sie die Worte von Exupéry, die sinngemäß lauten, man verliere sein Leben lang nicht die Verantwortung für etwas, das man einmal kennengelernt hat? So ist es mit Charles. Er ist ein Kind, das sich an mich klammert, und es wird mir nichts anderes übrigbleiben, als ihn mit mir herumzuschleppen und für ihn zu sorgen. Ob ich will oder nicht.«
Sie schwieg, und Kelly dachte, sie ist eine starke Frau, eigensüchtig und besitzergreifend, aber im Innersten loyal und mutig. Sie wird für Charles immer dasein, sie wird ihn bei Gott nicht glücklich machen, aber sie wird ihn über Wasser halten — ganz gleich, wie schwer es ihr fallen mag.
»Sie wissen, daß Sie sich sehr verdächtig gemacht haben durch Ihr Gespräch mit David Bellino am Mordabend?« fragte er.
Gina nickte. »Ja — ich fürchte, ich habe den falschen Ort und die falsche Stunde gewählt.«
Kelly schien nachzudenken, einen Moment lang wirkte er in
sich gekehrt. Dann drehte er sich um, und plötzlich war sein Gesichtsausdruck hellwach, seine Augen blickten angriffslustig und unbestechlich. Sie blickten auf Laura Hart.
»Und nun zu meiner Hauptverdächtigen, Miss Laura Hart! Ich behaupte, daß Sie an den Ereignissen des gestrigen Abends keineswegs so unbeteiligt waren, wie Sie vorgaben. Würden Sie mir jetzt vielleicht die Wahrheit sagen?«
Die Attacke war so unverhofft gekommen, daß alle zunächst einmal sprachlos waren. Laura faßte sich schließlich. »Wie meinen Sie das?«
»Nun — es mag zunächst ein überzeugender Anblick gewesen sein, wie Sie da gefesselt im Wohnzimmer lagen, hilflos, von den Tätern überwältigt. Aber ich habe nie so recht daran geglaubt, daß das echt war.«
»So?« Sie versuchte ihre nervösen Hände ruhig zu halten, bekam schmale, lauernde Augen. »Was glauben Sie denn, Mr. Kelly?«
»Sie sind in der Bronx aufgewachsen, Miss Hart. Sie müssen dort mit gewissen Kreisen in Berührung gekommen sein — das konnte sich bestimmt nicht vermeiden lassen.«
»Ach, wissen Sie, ich habe mich schon gefragt, wann das kommen würde. Natürlich, in mir haben Sie endlich die ideale Mörderin gefunden. Es kann ja nur das Mädchen aus der Bronx gewesen sein.«
»Ich habe nicht gesagt, daß ich glaube, Sie haben David Bellino erschossen«, korrigierte Kelly, »ich glaube nur, Sie haben mit den Einbrechern gemeinsame Sache gemacht.«
Mary schnappte hörbar nach Luft. Gina lächelte. Etwas Ähnliches vermutete sie die ganze Zeit.
»Was Sie glauben, interessiert mich nicht, Inspektor.«
»Sie können Ihre Lage nur verbessern, wenn Sie offen reden.«
»Ich wüßte nicht, worüber.«
Kellys Gesicht nahm einen väterlichen Ausdruck an. »Miss Hart, ich beobachte Sie nun schon eine ganze Weile. Sie werden mit jeder Minute nervöser. Es zuckt in Ihren Beinen, Sie wollen
unbedingt fortlaufen. Warum? Wo zieht es Sie hin? Zu wem? Zu Ihren Freunden?«
»Ich habe keine Freunde!«
»Miss Hart, ich nehme Ihnen die Geschichte mit dem angeblichen Überfall auf Sie nicht ab. Irgendwie... kommt mir diese Einbrecherstory zu glatt vor. Ich verspreche Ihnen, wir bekommen heraus, was wirklich passiert ist, und dann ist Ihre Lage viel prekärer, als wenn Sie mir gleich reinen Wein einschenken.«
»Ich habe Ihnen nichts zu sagen.«
Kelly seufzte. »Okay. Dann versuchen wir es andersherum. Wir haben jetzt sehr viel Zeit damit verbracht, die Lebensgeschichten der Anwesenden zu rekonstruieren. Die einzige, von der wir noch nichts wissen, sind Sie, Miss Hart. Ich würde gerne auch Ihre Geschichte hören.«
»Die lange oder die kurze Version? Wie hätten Sie’s denn gern? Und wo darf ich beginnen?« fragte sie schnippisch.
»Wo Sie möchten.« Kelly ging auf ihren Ton nicht ein. »Vor allen Dingen möchte ich Ihre Beziehung zu dem toten David Bellino begreifen, die mir nicht ganz unkompliziert scheint, und ich nehme an, dazu müssen wir ein bißchen in die Vergangenheit zurückgehen.«
»In meine
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