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Schattenspiel

Schattenspiel

Titel: Schattenspiel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlotte Link
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Papieren wühlte und den Eindruck vermittelte, als wolle er am liebsten »Einspruch« rufen, und er sah wieder David, der drauf und dran war, die Nerven zu verlieren.
    In diesem Moment begriff Steve, daß es ein Fehler gewesen war, David zu seinem Komplizen zu machen. Glasklar sah er das auf einmal, und eine höhnische innere Stimme rief ihm die Worte zu, die er über David gesagt hatte: »Er läßt niemanden so recht an sich heran. Wer weiß, was hinter seiner Stirn vorgeht?« Lächerlich. Und naiv. Als Alan ihn nach David fragte, hätte er sagen sollen: »Er liebt einzig sich selber. Für nichts und niemanden sonst auf der Welt würde er je ein Risiko eingehen.«
    Wie hatte er so blind sein können? Wie hatte es so lange dauern können, bis er die Wahrheit erkannte? Warum mußte er erst mit der Nase im Dreck liegen, ehe er klug wurde? Denn er begriff auch, daß in diesem Augenblick, wenn nicht noch ein Wunder geschah, seine Zukunft zerbrach.
    »Mr. Bellino, Sie wollten uns vom 4. Juli erzählen«, sagte Marsh sanft.
    David war aschfahl, seine Lippen hatten einen beinahe grauen Schimmer angenommen. Er suchte nach Worten. »Am vierten Juli waren... waren Steve und ich...« Er brach ab. Er sah Steve
nicht an, als er nun aufstand. »Herr Staatsanwalt, ich möchte von der Aussage, die ich gegenüber der Polizei abgegeben habe, zurücktreten.«
    Geraune im Saal. Überall wurden Stimmen laut. Alans Verteidiger erhob sich. »Ich bitte um eine Unterbrechung der Verhandlung.«
    »Die Verhandlung wird in einer Stunde fortgesetzt«, sagte der Richter müde. Er haßte Komplikationen.
     
    Gina rief an diesem Abend Natalie an. Natalie war nach Hause gefahren, während Gina in London geblieben war, um den Prozeß verfolgen zu können. Sie hatte erst Mary gefragt, ob sie bei ihr wohnen dürfte, aber Mary hatte ängstlich abgelehnt. »Du weißt, mir alleine wärst du immer willkommen. Ich würde mich freuen, dich zu sehen. Aber es ist so schwierig mit Peter...«
    »Ich will dich wirklich nicht bedrängen, Mary, aber glaubst du, es ist gut, daß du immer nachgibst und tust, was er will?«
    »»Ich muß mit ihm leben.«
    »Okay War ja nur eine Frage.«
    Sie kam in einem kleinen Hotel nahe Madame Tussaud unter. Die Wirtin hatte ein zahmes Huhn, das den Gästen in die Füße pickte, und zum Frühstück gab es nur Tee, keinen Kaffee, aber Gina hatte in St. Brevin ihr Konto überzogen und konnte sich keine feinere Unterkunft leisten. Leider befanden sich in den Zimmern keine Telefone, so daß sie Natalie vom Flur aus anrufen mußte. Wie üblich dauerte es eine ganze Weile, bis man Natalie in dem riesigen Landhaus ihres Vaters gefunden hatte. Gina stand wartend in dem engen dunklen Gang, hörte die Münzen im Apparat durchfallen und roch den modrigen Duft, der den staubigen, weinroten Samtvorhängen an den Fenstern entströmte. Während sie hinunter auf den tosenden Londoner Nachmittagsverkehr blickte und mit den Fingern ein Herz in die schmutzstarrenden Fensterscheiben zeichnete, fragte sie sich, ob es nicht besser wäre, England zu verlassen und nach Amerika zu gehen. In einiger Entfernung knarrte leise eine Diele. Wahrscheinlich lauschte die Wirtin.

    Endlich war Natalie am Apparat. »Gina? Tut mir leid, ich war draußen. Was gibt es Neues? Warst du beim Prozeß?«
    »Sie haben mich nicht zugelassen. Aber ich habe nachher mit Stevens Eltern gesprochen. Du wirst nicht glauben, was passiert ist – David ist umgekippt!«
    »Was?« schrie Natalie so laut, daß Gina beinahe der Telefonhörer aus der Hand gefallen wäre.
    »Sie hatten ihn gerade vereidigt, und der Staatsanwalt begann ihn zu fragen, da stand er auf und nahm seine Aussage, die er vor der Polizei gemacht hatte, zurück. Er behauptete, er sei mit Steve an diesem vierten Juli die ganze Zeit allein gewesen.«
    Diesmal kam eine ganze Weile Schweigen aus dem Apparat. Dann fragte Natalie leise: »Und wem glaubst du?«
    »Beiden. Denn jetzt kommt es: Steve hat vollkommen die Nerven verloren und zugegeben, einen Meineid geleistet zu haben.«
    »Das ist nicht wahr!«
    »Doch. Und du kannst dir denken, daß er jetzt in höllische Schwierigkeiten kommt. Auf Meineid steht Gefängnis.«
    »Um Gottes willen! Dann war Alan Marlowe an dem Tag, als wir in Nantes waren, tatsächlich nicht in St. Brevin?«
    »Jedenfalls nicht mit David und Steve. Steve hat ihn erst einen Tag später in Nantes getroffen.«
    »Ach, deshalb! Deshalb war er an dem Abend plötzlich verschwunden, erinnerst du dich?

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