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Schattenspiel

Schattenspiel

Titel: Schattenspiel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlotte Link
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einem Londoner Gerichtssaal fand – und in David Bellino, der auf einmal totenblaß wurde, aufstand und vor Gott und der Welt seine
Aussage widerrief. Und die Scillyinseln versanken im Meer, das kleine Haus und die Rosen und der Seewind auch, und die Wirklichkeit bekam ein brutales Gesicht. Das Gesicht von Gefängnismauern.
    Abgesehen von der Schande, von dem Entsetzen, von dem Alptraum und dem Unfaßbaren, haßte Steve jede Kleinigkeit des Gefängnisalltags. Alles Kärgliche, Unschöne, allein Praktische war ihm zutiefst zuwider. Das billige Geschirr, das zwar gespült wurde, von dem er aber wußte, daß Hunderte von Menschen davon aßen, ekelte ihn so, daß er in den ersten Wochen kaum in der Lage war, überhaupt Nahrung zu sich zu nehmen. Er war an seidige, duftige Bettwäsche gewöhnt; in den billigen, kratzigen Decken des Gefängnisses konnte er keinen Schlaf finden. Die Gefängniskleidung scheuerte auf seiner Haut, die Kernseife, die sie zum Waschen bekamen, verursachte einen Hautausschlag bei ihm. In den Duschen, wo man nie allein war, überkam ihn beinahe Panik, denn er hatte sich nie nackt vor anderen Menschen präsentiert und andere nie nackt sehen wollen. Aber am Furchtbarsten fand er es, vor seinen Zellengenossen das Klo benutzen zu müssen.
    Außer ihm befanden sich noch drei andere Männer im Raum, ausnahmslos kräftige, ziemlich primitive Kerle, die den ganzen Tag schmutzige Witze erzählten und lautstark mit den Delikten prahlten, derentwegen sie hier einsaßen. Miles hatte versucht, eine Bank zu berauben, dann aber die Nerven verloren, als der Kassierer Widerstand leistete, und sich der Polizei gestellt. Er erzählte ständig von dem »ganz großen Ding«, das »laufen wird, wenn ich hier draußen bin!«. Er wollte mindestens eine Million klauen und sich nach Acapulco absetzen. »Wenn du Geld hast, gehören dir die tollsten Weiber«, tönte er, »und in Acapulco gibt’s die tollsten, das kann ich euch sagen.«
    »Du warst doch nie in Acapulco?« stichelte Georgio, dem zwei Vorderzähne fehlten und der seiner Frau zwei Rippen und das Nasenbein gebrochen, dazu den Kiefer eingeschlagen hatte. »Wie kannst du denn wissen, was da los ist?«
    »Nie die Zeitungen gelesen, was? Da steht doch alles drin
über Acapulco! Da gibt’s Spielcasinos und Bars, und du kannst tanzen und bumsen den ganzen Tag, so viel du willst, und da gibt’s die besten Nutten, die haben Titten so groß wie Fußbälle und wackeln mit den Ärschen, daß dir schwindlig wird und du nicht mehr weißt, wo oben und unten ist. Und warm ist es da in Acapulco...schön warm. Da scheint immer die Sonne, da haben die nicht so ein Pisswetter wie hier!« Miles seufzte sehnsüchtig und vertiefte sich wieder in seinen »Playboy«, in dem der Leser auf Seite fünf unter zehn Mädchen das schönste wählen sollte, und Miles konnte sich nicht zwischen der blonden Jennie mit den vollen Lippen und der rothaarigen Jo mit dem Superbusen entscheiden.
    Der dritte war Pete, aus unerfindlichen Gründen »Birdie« genannt. Birdie saß wegen versuchter Vergewaltigung; er hatte eine Spaziergängerin in einem einsamen Waldstück überfallen, aber andere Spaziergänger waren unerwartet dazugekommen, hatten ihn überwältigt und der Polizei übergeben. Birdie war der stärkste (er hatte Muskeln wie ein Preisboxer) und dümmste von allen, aber er war kein grundsätzlich gewalttätiger Mensch wie etwa Georgio. Es ging eine gewisse Gutmütigkeit von ihm aus, weshalb er von seinen Zellengenossen immer wieder für die unangenehmsten Verrichtungen mißbraucht wurde. Er hätte Miles und Georgio leicht packen und mit den Köpfen aneinanderschlagen können, und die wären zersplittert wie rohe Eier, aber er ließ sich von ihnen zwingen, mit dem Arm bis zur Schulter hinauf in das Klo zu fassen und den Unrat herauszuklauben, der das Abflußrohr verstopfte. Wenn Kakerlaken aus dem Wasserbecken krochen, mußte er sie zerquetschen, und wenn sich in der mittäglichen Suppe Fleischstückchen befanden, suchten sie für ihn die fettigsten heraus. Er begriff nie, daß er ausgenutzt wurde, sondern glaubte sich für die anderen unentbehrlich. Die hatten den Kniff längst heraus. »Nur unser Birdie hat so starke Zähne, daß er es mit dem Zahnbürstenstiel aufnehmen kann«, sagte Georgio, nachdem er Birdies neue Zahnbürste konfisziert hatte und Birdie seine alte, die nur noch wenige Borsten besaß, hingelegt hatte. Birdie grunzte vor Stolz. »Klar kann Birdie das! Der
Birdie hat

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