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Schattenspiel

Schattenspiel

Titel: Schattenspiel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlotte Link
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Ich gehöre nicht zu euch. Ich komme aus einem dunkleren Teil der Welt, und ich fürchte, ich würde euch alles verderben!«
    Irgendwie hatte Steve diese Antwort erleichtert. Er war nicht sicher gewesen, wie die ewig spottende Gina mit dem idealistischen Alan auskommen würde. »Aber, Alan, falls du es dir anders überlegst – notier doch mal Adresse und Telefonnummer!«

    Er sagte das alles dem Staatsanwalt, der ihn durch dicke Brillengläser hindurch scharf fixierte. »Was meinte Ihr Bruder, wenn er von einer ›dunkleren Welt sprach?«
    »Ich glaube, er meinte, daß er die Welt anders sieht als wir, daß er sie dunkler sieht. Er konnte... unseren Jugendfrohsinn nicht teilen. Ich erinnere mich nicht, Alan jemals unbeschwert lachen gehört zu haben. Er glaubt nicht, daß wir auf der Welt sind, um unseren Spaß zu haben, sondern um uns mit aller Kraft dafür einzusetzen, daß sie besser und gerechter wird.«
    »Und da hält er Bombenattentate für geeignet?«
    Alans Anwalt sprang auf. »Einspruch! Für solche Vermutungen des Herrn Staatsanwalt gibt es keinerlei Anhaltspunkte.«
    »Einspruch abgelehnt«, sagte der Richter träge und ohne weitere Erklärungen. Der Anwalt nahm wieder Platz, und Marsh meinte gelassen. »Nun?«
    »Alan«, antwortete Steve, »hat jede Form von Gewalt immer abgelehnt.« Er sagte es mit Überzeugung.
    Marsh musterte ihn spöttisch. »Wie schön! Das rührt uns alle sehr. Aber wir brauchen das ja vorläufig nicht zu vertiefen. Ihrer Aussage nach hat es sich Alan Marlowe jedenfalls plötzlich anders überlegt und ist – ungeachtet der Düsternis der Welt – nach St. Brevin gekommen. Um elf Uhr morgens. Fahren Sie fort, Mr. Marlowe.«
    »Da David und ich gerade beschlossen hatten, an den Strand zu gehen, fragten wir Alan, ob er nicht mitwollte. Nun, er wollte, und so gingen wir los. Besser gesagt: Wir fuhren. Mit meinem Auto.«
    »So. Waren viele Leute am Strand?«
    »Wir hatten eine Bucht ausfindig gemacht, in der wir fast immer ungestört waren. An diesem Tag waren wir völlig alleine dort.«
    »Welch glücklicher Umstand! Keine Zeugen! Wie lange blieben Sie?«
    »So gegen ein Uhr wurde es uns zu heiß. Aber nach Hause mochten wir auch nicht. Also stiegen wir wieder ins Auto und fuhren ein wenig an der Küste entlang. Wir hatten uns ein paar
belegte Brote und drei Flaschen Bier mitgenommen. Wir hielten irgendwo, picknickten, blieben dann in der Sonne liegen, schliefen, lasen, unterhielten uns. Es war ein wirklich friedlicher, vollkommen ereignisloser Nachmittag.«
    »Ja. Was Sie da erzählen, klingt wie eine Passage aus dem Schulaufsatz ›Mein schönstes Ferienerlebnis‹. Dennoch, lieber Mr. Marlowe, hat an diesem friedlichen, vollkommen ereignislosen Nachmittag irgend jemand in Plymouth eine Bombe in der Damentoilette des ›Black Friars‹ installiert. Eine Bombe, die am frühen Abend des 5. Juli explodierte und fünf Menschen das Leben kostete. Unter ihnen ein achtjähriges Mädchen. Können Sie sich vorstellen, wie das ist, wenn ein achtjähriges Mädchen von einer Bombe in Fetzen gerissen wird?«
    Mrs. O’Brian, Liz’ Mutter, stand auf und verließ den Saal.
    Leise sagte Steve: »Ich kann es mir kaum vorstellen. Es muß furchtbar sein.«
    »Finden Sie, daß ein Mensch, der so etwas tut, bestraft werden muß?«
    »Ja.«
    »Fein. Dann sind wir uns ja einig. Also, Mr. Marlowe, nachdem Sie genug in der Sonne gelegen und die bretonische Einsamkeit genossen hatten, fuhren Sie da nach Hause?«
    »Ja. Wir kamen gegen acht Uhr an. Natalie und Gina waren noch nicht zurück.«
    »Ein recht ausgedehnter Einkaufsbummel, finden Sie nicht?«
    »Die beiden waren noch in einem Kino und beim Essen.«
    »So. Jedenfalls - als sie dann schließlich kamen, war Alan Marlowe schon wieder verschwunden. Ich finde das ein bißchen seltsam. Warum hat er nicht bei Ihnen übernachtet? Es hätte sich doch bestimmt eine Schlafgelegenheit gefunden?«
    Steve schluckte. Dies war in der Tat ein kritischer Punkt in der Geschichte. Lange hatten sie überlegt, was sie sagen sollten. Wie sie es drehten und wendeten, es warf nicht das beste Licht auf den Wahrheitsgehalt ihrer Darstellung.
    »Alan verließ uns aus genau demselben Grund, aus dem er ursprünglich überhaupt abgelehnt hatte, mich nach St. Brevin zu
begleiten«, sagte Steve. »Er mochte nicht unter Menschen sein, die sich amüsieren, die fröhlich sind, die herumalbern und über Belanglosigkeiten plaudern. Da er Natalie und Gina aus meinen Erzählungen kennt,

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