Schattenspiel
die goldgerahmten Kitschgemälde irgendeines vergammelten Malers im Central Park herumschleppt und zu verkaufen versucht. Ihre Briefe sind eine Mischung aus Verzweiflung und Komik.«
»Und Mary? Hast du etwas von Mary gehört?«
»Es geht ihr nicht gut. Dieser Kerl, den sie geheiratet hat, behandelt sie miserabel. Sie fürchtet sich, den Mund aufzumachen. Sie wird immer mehr zu einem grauen Schatten.«
David nahm einen tiefen Schluck Wein. »Und... weißt du etwas von Steve?«
Natalie sah ihn nicht an. »Er schreibt mir hin und wieder. Es geht ihm nicht gut, David. Er muß jetzt noch ein Jahr im Gefängnis bleiben. Wußtest du, daß er im Dezember versucht hat, sich das Leben zu nehmen?«
»Nein, das wußte ich nicht. Es tut mir leid«, sagte David schwerfällig. Er schob sein Glas von sich. »Nat, ich bereue, was damals geschehen ist, glaub mir bitte. Ich weiß nicht, was plötzlich los war. Mir wurde erst im Gerichtssaal klar, worauf ich mich da eingelassen hatte. Ein Meineid...du mußt verstehen... ich meine, du bist so ein ehrlicher, gerader Mensch, und du würdest wahrscheinlich, um einem Freund zu helfen, alle deine Interessen zurückstellen, aber ich bekam plötzlich Angst um meine Zukunft. Mein Leben ist ganz genau und sorgfältig geplant worden, von meiner Mutter und von Andreas, und ich war drauf und dran, alles aufs Spiel zu setzen. Der Erbe der Bredow Industries leistet Meineid für die IRA. Das ist unmöglich!«
»Klar. Und keiner hat von dir erwartet, daß du ein solches Risiko auf dich nimmst. Aber du hättest es gleich sagen müssen. So hast du Steve ins Messer laufen lassen!« Sie sah ihn aufmerksam an. »Weshalb hast du dich überhaupt erst auf diese riskante Geschichte eingelassen?«
»Ich dachte...Er zögerte, denn er war sich nicht sicher, ob sie ihm glauben würde, wenn er erklärte, daß er darin die Chance gesehen hatte, in Steve einen wirklichen Freund zu gewinnen. Er hatte sich immer solche Mühe gegeben zu verbergen, wie heftig es ihn nach Freundschaft verlangte, daß Nat es wahrscheinlich
für eine dumme Ausrede halten würde, wenn er jetzt damit käme. Aber er sah in ihre klugen, konzentrierten Augen und sagte leise: »Na ja...Steve wäre für alle Zeiten mein Freund gewesen. Ich schätze, das war der Grund!« Er bemühte sich um einen möglichst schnoddrigen Tonfall, um nachher, falls sie ihn auslachte, unbefangen in ihr Lachen einstimmen zu können. Aber sie lachte nicht. Sie schaute ihn nur nachdenklich an.
Hastig fuhr er fort: »Das mit Mary damals im ›Paradise lost‹ tut mir genauso leid. Ich habe die Nerven verloren. Ich sah die Polizei, ich hörte das Geschrei der Leute, und ich hatte irgendwie keine Kontrolle mehr über die Situation!« Noch während er sprach, war ihm klar, es war nur die halbe Wahrheit. Er hatte schlechte Nerven, das stimmte. Aber seine Gefühle in der entscheidenden Situation hatten sich aus den verschiedensten Empfindungen zusammengesetzt: Angst. Berechnung. Der Bredow-Erbe bei einer Rauschgift-Razzia in einer berüchtigten Londoner Spelunke festgenommen. Und Trotz: Ich bin nicht dein guter Junge, Mum! Und wenn du es noch so sehr willst! Ich sollte nicht weglaufen, ich, dein tapferer, wunderbarer Sohn. Aber ich werde weglaufen, denn ich werde meinen Kopf in Sicherheit bringen, und wenn du und der Alte in Amerika die Wände hochgehen ! Rasch verließ er den gefährlichen Boden und sagte: »Mary und Steve. Irgendwie bin ich ein Stolperstein in beider Leben, nicht wahr? Du siehst, es ist nicht ganz ungefährlich, mit mir gemeinsame Sache zu machen. Du hättest vielleicht doch einen anderen Fotografen mitnehmen sollen.«
»Ich fürchte mich nicht«, erwiderte Natalie gelassen. Sie schaute David an und dachte, daß er wirklich ein schöner Mann sei mit seinen dunklen Haaren, den schmalen Augen. Schlank war er und groß, sein Körper steckte in engen verwaschenen Jeans und einem weißen Hemd. Lange Wimpern hatte er, stellte sie fest, und einen empfindsamen Mund. Ein bißchen rätselhaft war er, dieser David Bellino, er gab nicht viel von sich preis. Und sie dachte: Du bereust schon, was passiert ist, aber du würdest um nichts anders handeln, wenn du dich wieder in derselben Situation befändest. Wahrscheinlich kannst du gar nicht anders.
Es wird immer so sein, daß du erst deine Schäfchen ins Trockene bringst, ehe du dich um die Belange anderer kümmerst.
»Woran denkst du?« fragte David.
Sie lächelte. »An nichts Bestimmtes. Ich habe ein bißchen
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