Schattenspiel
religiös motiviert waren. Die Bevölkerung von Cornwall wurde unterdessen zur äußersten Vorsicht ermahnt.«
»Wie grauenhaft«, murmelte Mary, »das klingt ja nach einem Verbrechen wie damals bei Sharon Tate.« Sie starrte in den Regen hinaus, auf rotgeklinkerte Wände mit leblosen Fensterscheiben darin.
»Cornwall... hoffentlich sind Nat und David vorsichtig...«
5
David und Natalie fuhren an diesem verregneten Sonntagmorgen durch das Bodmin-Moor und langten gegen Mittag beim »Jamaica Inn« an. Der Regen rauschte wie eine graue Wand herunter, und als sie in das Auto zurückkrochen, waren sie durchweicht bis auf die Knochen und fühlten sich elend. In einem der kleinen Dörfer, durch die sie gekommen waren, hatten sie in einem Lebensmittelgeschäft Brot, Käse, Joghurt und ein paar Dosen Cola gekauft. Mit Davids Taschenmesser schnitten sie Brot und Käse in Scheiben und aßen alles bis zum letzten Krümel auf. Danach fühlten sie sich bereits besser. Es hatte aufgehört zu regnen, ein warmer Wind wehte und zerteilte rasch alle Wolken. Auf einmal schien die Sonne. Natalie erklärte, sie habe für
heute nicht die geringste Lust mehr, auch nur eine Minute zu arbeiten, sie wolle in ein kleines, romantisches Dorf am Meer und dann den Rest des Tages am Strand in der Sonne liegen.
»Okay«, sagte David und fuhr an. »Suchen wir das kleine Dorf am Meer.«
Crantock war das idyllischste Dorf, das sie je gesehen hatten. Es schien nur aus verträumten, winzigen Häusern zu bestehen, aus verwunschenen Gärten, aus moosbewachsenen Mauern und wild blühenden Hecken. Den Dorfkern bildeten ein altmodischer Gemischtwarenladen, eine leuchtend rote Telefonzelle und ein gewaltiges Blumenrondell. Das Dorf wurde umgrenzt von grünen Hügeln, dahinter lag das Meer.
Die Hochsaison hatte noch nicht begonnen, weshalb David und Natalie bis dahin immer leicht und sofort eine Unterkunft gefunden hatten – mit getrennten Zimmern. In Crantock standen sie jetzt zum erstenmal vor einem Problem. Jede einzelne Kammer war besetzt. Erst nach einer Dreiviertelstunde kamen sie zu einem Haus, dessen Eigentümerin ihnen mitteilte, sie habe ein Zimmer frei. Das Haus stand oben auf den Hügeln, mit Blick zum Meer, und die Besitzerin war eine junge, magere Frau mit etwas struppigem Haar. Sie stellte sich als Maxine Winter vor. Ihr Mann Duncan erwies sich als ernst und still, etwas wortkarg, aber nicht unfreundlich. Das Problem lag darin, daß es tatsächlich nur dieses eine Zimmer gab.
»Das andere, das wir haben, ist vermietet«, erklärte Maxine. Sie wirkte etwas verwundert über die Unschlüssigkeit der beiden jungen Leute. Bemerkenswert verliebt schienen sie jedenfalls nicht zu sein, wenn sie ein solches Theater wegen eines gemeinsamen Zimmers machten.
David sah Natalie an. »Du mußt das entscheiden. Wir können das Zimmer hier nehmen, wir können aber auch weitersuchen.«
Später fragte sich Natalie oft, ob es in diesem Moment nicht irgendeine Stimme in ihr gegeben hatte, die sie warnte. Eine Stimme, die sie leichtsinnig überhört hatte. Sie sah nur das entzückende kleine Haus mit der rosenumrankten Eingangstür, sah die Hügel und Dünen und das blau glitzernde Meer, erinnerte
sich an alles, was sie von den goldenen Stränden der cornischen Westküste gehört hatte.
»Laß uns hier bleiben. Sonst ist der Tag vorbei, und wir haben nicht mal den großen Zeh ins Meer gesteckt. Es ist schon in Ordnung so.«
Das Zimmer lag im Erdgeschoß, durch das Fenster blickte man aufs Meer. Das Bett schien zu quietschen, wenn man es nur anschaute, und aus dem Wasserhahn kam das warme Wasser bloß als dünnes Rinnsal, aber sie hatten einen eigenen Teekocher und blütenreine, duftende Wäsche und Handtücher.
»Baden kostet extra«, sagte Maxine, die in der Tür lehnte, »und Frühstück gibt es um neun Uhr. Es wäre schön, wenn Sie pünktlich sind.«
»Natürlich«, erwiderte David höflich.
Maxine wandte sich zum Gehen, drehte sich aber noch einmal um. »Der Haustürschlüssel liegt auf dem Regal im Flur. Sie können ihn benutzen, denn die alte Lehrerin aus Seven Seas, die das andere Zimmer bewohnt, hat ihren eigenen. Bitte schließen Sie die Haustür ab, wenn Sie abends spät kommen.«
»Natürlich«, sagte David wieder.
Sie packten ihre Sachen erst gar nicht aus, kramten nur Handtücher, Sonnenöl und Badeanzüge hervor, schlüpften in Shorts und T-Shirts und gingen dann zum Strand. Der Weg führte noch ein kleines Stück asphaltierte Straße
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