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Schattenspiel

Schattenspiel

Titel: Schattenspiel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlotte Link
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»Das Verrückte ist, ich weiß überhaupt nicht mehr, ob ich das alles noch will. Bredow
Industries, New York, Reichtum...Die ganze Zeit über habe ich daran gedacht, und ich wollte es unbedingt haben, verstehst du, ich hätte alles dafür getan...«
    Ja, dachte Natalie, auch Steve verraten und Mary im Stich gelassen. Um Gottes willen, nichts riskieren!
    »Aber es ist alles so verfahren... Ihr wißt ja nicht...«
    »Was wissen wir nicht?«
    »Ihr wißt nicht, wie ich aufgewachsen bin. Meine Mutter wurde nie mit dem Tod ihres Vaters fertig. Hitlers Leute haben ihn damals ermordet.«
    »Oh...«
    »Bei uns im Wohnzimmer war eine Art Altar errichtet, mit seinem Bild, Blumen, Kerzen... und unser ganzes Leben war der Erinnerung an diesen Toten geweiht. Sie hat mir furchtbare Dinge erzählt, und ich hatte schreckliche Träume. Sie wollte immer, daß ich ihren Kummer teile, sie wollte mich zu ihrem Vertrauten und Kameraden machen, und sie hat mich geliebt und vergöttert. Und dann kam Andreas, und der ist irgendwie genauso wie sie, er klammerte sich an mich, Tag und Nacht hätte er mich am liebsten um sich, und manchmal denke ich, ich werde noch verrückt darüber. Immerzu sagen sie mir, wie sehr sie mich brauchen, und ich weiß, sie werden nie damit aufhören. Aber ich will das nicht!« Seine Stimme wurde laut. Heftig sagte er: »Ich weiß nicht, ob du mich verstehen kannst, Natalie, aber ich habe das Gefühl, überhaupt nicht zu wissen, wer ich bin. Wer ist David in Wahrheit? Wo liegt meine Zukunft? Sie haben mir so lange eingehämmert, was sie alles von mir erwarten, daß ich jetzt keine Ahnung mehr habe, was ich überhaupt will!«
    Natalie langte hinüber in seine Betthälfte und nahm seine Hand. »David, warum hast du nie früher darüber gesprochen?«
    »Weil ich...« Er lachte hilflos und trotzig. »Weil ich ja nicht mal wußte, wo mein Problem lag! Da war nur ein wahnsinniger Druck, und da waren wahnsinnige Schuldgefühle, weil sie ja alle so nett zu mir waren und ich trotzdem das Gefühl hatte, ich müßte schreien!«
    »Hör zu«, sagte Natalie ruhig. »Hör zu, ich glaube schon, daß
du weißt, was du willst. Du traust dich nur nicht, es frei und unverkrampft zu wollen. Was sagtest du früher immer? ›Ich will so reich sein, daß ich auf die ganze Welt scheißen kann!‹ So! Ist das nicht genau das, was du willst?«
    »Ja!« Er schien erleichtert, weil sie nicht versuchte, die Wahrheit schmeichelhafter zu formulieren. »Ja! Ich will Geld! Ich will ein tolles Leben! Ich will Autos und Segelyachten und meinen eigenen Jet und das phantastische Appartement hoch über dem Central Park. Ich will durch die ganze Welt reisen, und ich will, daß Geld für mich nie eine Rolle spielt. Es soll einfach dasein! Und ich will nicht nachdenken über das, was war, denn ich habe nichts damit zu tun! Ich kenne meinen toten Großvater nicht, und ich kann auch nicht ewig für meine Mutter dasein und mit ihr gemeinsam darüber jammern, wie gemein das Schicksal mit ihr umgegangen ist. Es war ja alles nicht meine Schuld!«
    »Natürlich war es nicht deine Schuld. Es ist schon okay, David. Du darfst dir das alles ja wünschen!«
    Er atmete tief.
    »Mir wurde irgendwann in den letzten Tagen klar, wenn ich mit einem Menschen reden kann, dann mit dir. Du bist klug, Natalie, du bist unabhängig und ganz und gar echt. Bei dir ist nichts gekünstelt oder aufgesetzt.« Mit einer vorsichtigen Bewegung zog er Natalie zu sich heran. »Bitte, Nat, Leg dich zu mir. Ich würde dich gern in meinen Armen halten. Bitte!«
    »David, ich kann das nicht. Ich kann nicht mit dir...«
    »Ich tu ja nichts, Natalie. Ich will wirklich nur, daß du bei mir liegst.«
    Zögernd gab sie nach. Es war überraschend angenehm, einen anderen warmen Körper neben sich im Bett zu spüren. Ihr Kopf lag an Davids Schulter, mit dem Arm hielt er sie umfaßt.
    Sie redeten noch eine Weile, flüsterten, hielten einander dabei fest. Natalie war jetzt völlig ruhig und entspannt. Sie atmete gleichmäßig, und auf einmal mußte sie eingeschlafen sein, denn später war es ihr, als habe sie plötzlich ein Geräusch gehört und sei aus einem konfusen Traum aufgewacht. Da draußen der Mond vom wolkenlosen Nachthimmel schien, zeichneten sich
auf den blassen Vorhängen die Schatten leise sich wiegender Blätter ab; sie gehörten zu dem Kirschbaum, der im Vorgarten stand. Dann schob sich ein großer, dunkler Schatten davor, einen Moment nur, dann war er bereits wieder

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