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Schattenspieler (German Edition)

Schattenspieler (German Edition)

Titel: Schattenspieler (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dr. Michael Römling
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heiter werden.

Friedrich hatte noch nicht geschlafen, das merkte Leo schon
in dem Augenblick, in dem er in das Zimmer seines Freundes
schlich. Bettwäsche raschelte und die Federn gaben ein leichtes
Quietschen von sich. Eine Silhouette richtete sich im Bett
auf und einen Augenblick später wurde die Nachttischlampe
angeknipst. Im ersten Augenblick blendete das Licht, dann
sah Leo das Gesicht seines Freundes. Verschlafen sah er nicht
aus, im Gegenteil.
    »Kannst du auch nicht einschlafen?«, flüsterte Friedrich.
    »Nein. Aber mir ist was eingefallen«, sagte Leo.
    Friedrich schwang die Beine aus dem Bett und blickte
ihn fragend an. Leo setzte sich auf einen Stuhl, der vor dem
Schreibtisch stand. Er war so aufgeregt, dass er zitterte.
    »Wir haben etwas übersehen«, sagte er.
    Friedrich riss die Augen auf. »Wo? In dem Stollen?«
    »Ja, aber da konnten wir es auch nicht sehen. Dieser Plan …«
    Friedrich beugte sich aufgeregt vor und packte seinen Arm.
»Was ist mit dem Plan?«, fragte er halblaut.
    Leo legte einen Finger an den Mund, aber Friedrich winkte
unwirsch ab.
    »Die einzelnen Teile des Ganges sind von einer Biegung
zur nächsten immer gleich lang«, sagte Leo, weiter flüsternd.
»Fünfzehn Meter, würde ich schätzen.«
    »Ja, und?«
    »Wie weit war es von der letzten Biegung bis zu der gemauerten
Wand?«, fragte Leo.
    »Weiß nicht. Nicht viel – zwei, drei Schritte vielleicht.«
    »Würde ich auch sagen. Die Kammer dahinter mit den beiden
Leichen, wie lang war die?«
    »Nicht viel länger als die Leichen.« Eine Ahnung leuchtete
in Friedrichs Augen auf. »Du meinst … der Gang ist dahinter
nicht zu Ende?« Seine Stimme war schon wieder lauter
geworden.
    Leo nickte. Dann flüsterte er betont leise: »Meine ich. Auf
dem Plan war er jedenfalls genauso lang wie alle anderen Teilstücke
auch. »Hinter der Kammer mit den Toten fehlen mindestens
acht Meter.«
    »Aber da war eine Wand. Wir haben sie doch gesehen!«
    »Na und? Vor den Leichen war auch eine Mauer. Und die
hintere Wand haben wir kaum gesehen, oder besser gesagt,
wir haben sie nicht beachtet, weil es so stank und weil wir
nicht auf die Idee gekommen sind, dass Sommerbier hintereinander
zwei Wände in den Gang eingezogen haben könnte.
Aber ich weiß jetzt, warum er das getan hat.«
    Friedrich sprang auf. Die Bettdecke rutschte zu Boden.
»Natürlich! Er hat erst die beiden Männer die Kisten runterschleppen
und einmauern lassen, um sich die Mühe zu sparen.
Wahrscheinlich hat er die Zwangsarbeiter einfach auf der
Straße aufgesammelt und dazu gezwungen, die schwere Arbeit
für ihn zu machen. Dann hat er sie erschossen. Und weil
der Putz schon angerührt war, musste er nur noch die zweite
Mauer vor den Leichen einsetzen! Dann hat er das Werkzeug
beiseitegeschafft und ist abgehauen!«
    »Oder er hat einfach noch ein paar Tage da unten gewartet,
bis der Krieg vorbei war. Da lagen doch die Essensreste und
die Flaschen, weißt du noch? Die waren wirklich von ihm!«
    Friedrichs Augen glühten. Ohne ein weiteres Wort griff er
nach seiner Hose, die auf dem Boden lag, und schlüpfte hinein,
so leise das in der Aufregung möglich war. Leo kam es
trotzdem ziemlich laut vor. Schon das Klimpern der Gürtelschnalle
reichte wahrscheinlich, um die hellhörige Marlene zu
wecken.
    Leo stand von seinem Stuhl auf und schaute seinen Freund
unsicher an. Es war klar, was Friedrich vorhatte. Der Gedanke
an den Bunkerstollen schnürte Leo jetzt schon die Kehle zu.
    »Jetzt?«
    »Wann denn sonst?«
    »Allein?«
    »Wir wollen ja nur nachschauen«, flüsterte Friedrich.
»Wenn dort wirklich etwas ist, fahren wir sofort zu Wilhelm
und klingeln ihn raus.«
    »Und warum fahren wir nicht erst zu Wilhelm?«
    Friedrich sah ihn an. »Weil wir dann bestenfalls zuschauen,
wie andere das Versteck öffnen! Verstehst du nicht? Es ist unsere
Entdeckung! Eigentlich sogar eher deine als meine. Aber
wenn du dich doch geirrt hast und da unten gar nichts ist,
blamieren wir uns doch nur!«
    Leo spürte, dass auch Friedrich wusste, wie schwach dieses
Argument war. Eigentlich hätte er gern auf die Ehre verzichtet,
Sommerbiers Geheimnis als Erster gelüftet zu haben. Und
auch die Aussicht auf eine Blamage schreckte ihn kaum angesichts
der Vorstellung, einen Stollen zu erkunden, in dem sie
beim letzten Mal zwei verwesende Leichen entdeckt hatten.
Er versuchte einen letzten Einwand.
    »Was ist, wenn sich Sommerbier selbst dort herumtreibt?
    »Wir sehen doch, ob da jemand ist«, sagte Friedrich

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