Schattenspur
schon aufgrund der Tatsache, dass wir sie so schnell aufgespürt haben, obwohl sie sich wohl in Sicherheit glaubte.“
„Ich fühle mich aber trotzdem wie ein Idiot.“
Travis grinste. „Dem widerspreche ich nicht. Wie heißt es doch: Selbste r kenntnis ist der erste Weg zur Besserung.“
Wayne mimte einen Faustschlag in seine Richtung.
Travis duckte sich lachend und winkte ab. „Das passiert uns allen ab und zu. Also willkommen im Club der Idioten.“ Er gab ihm einen Schlag auf den Rücken. „Lass uns an die Arbeit gehen, bevor Samuels zurückkommt. I m merhin ist Alma Renards Laden nicht allzu weit entfernt.“
Sie verließen Joys Wohnung und setzten sich in ihren Wagen. Travis verfiel in die Starre, die den Einsatz seiner Gabe immer begleitete. Er blickte ins Leere. Wayne verhielt sich still, um seine Konzentration nicht zu stören. Nach einer Weile hob Travis die Hand und deutete in die Richtung, in die das Taxi gefahren war. Wayne startete den Wagen und fuhr los. Travis dirigierte ihn nur mit Handzeichen in die entsprechenden Richtungen, bis sie am Bu s bahnhof landeten. Wayne fragte sich, in welche Stadt sich Joy wohl abgesetzt haben mochte. Umso erstaunter war er, als Travis ihm bedeutete, dass sie nicht in einen Fernbus gestiegen war, sondern einen normalen städtischen Linienbus genommen hatte, der von einer Haltestelle in der Nähe abfuhr. Von der Haltestelle, an der sie ausgestiegen war, dirigierte Travis ihn zu e i nem Mietshaus in der Jefferson Street. Wayne stellte den Wagen davor ab und folgte Travis ins Haus zu einer Tür, auf deren Klingel „Hannah“ g e schrieben stand. Dort brach er die Retrospektion ab und stieß erleichtert die Luft aus.
„Hier.“
Wayne setzte seine Gabe ein, um zu erfahren, wer sich in der Wohnung aufhielt und stellte fest, dass sie leer war. „Keiner zu Hause. Hast du sehen können, wer ihr die Tür geöffnet hat?“
Travis nickte. „Ein Schwarzer. Groß, muskulös, Rastazöpfe. Er war zie m lich erstaunt, sie zu sehen, hat sie aber ohne zu zögern reingebeten. Soll ich rausfinden, wohin sie verschwunden ist? Oder warten wir vor der Tür, bis sie zurückkommt?“
Wayne schüttelte den Kopf. „Erhole dich erst mal ein bisschen. Am besten im Wagen. Mit etwas Glück kommt sie zurück, noch während wir warten, dann erübrigt sich ein zweiter Einsatz deiner Gabe. Inzwischen rufe ich ab, wer hier wohnt. Vielleicht gibt uns das einen Hinweis, wo wir J… Ms. Renard finden können.“
Travis war der Lapsus natürlich nicht entgangen. Er grinste anzüglich. „Von mir aus kannst du sie ruhig Joy nennen. Sie ist nun mal eine unglaublich attraktive Frau, bei der jeder Mann wohl unkeusche Gedanken bekäme. Diese herrliche Afro-Löwenmähne, diese milchkaffeebraune Haut, die aussieht wie purer Samt, diese feurigen schwarzen Augen und dieser Köper …“ Travis schnalzte mit der Zunge und leckte sich genießerisch die Lippen.
„Travis.“ Wayne sprach in jenem warnenden Tonfall, der seinem Partner sagte, dass er eine Grenze erreicht hatte, die er besser nicht überschreiten sollte.
Travis lachte. „Ach, komm schon, Wayne. Du bist nicht der erste Agent, der in Versuchung gerät und schwach wird.“
„Sicher nicht. Ich werde trotzdem nicht der erste Agent sein, der deswegen aus dem DOC fliegt. Lass uns zusehen, dass wir Ms. Renard ausfindig m a chen.“
Sie verließen das Haus und gingen zum Wagen. Wayne entriegelte ihn.
Travis blickte ihn über das Verdeck ernst an. „Ich glaube, Samuels hat recht. Ms. Renard weiß wohl, wer der Kerl ist und behält das aus irgendwe l chen Gründen für sich, aber ich glaube nicht, dass sie mit ihm gemeinsame Sache macht. Dazu war sie viel zu sehr erschrocken, als sie das Phantombild gesehen hat. Das war nicht das typische Erschrecken in der Art, wie wenn man sich ertappt fühlt, oder ein Geheimnis aufgedeckt wird. Da spielte Angst mit, Wayne. Vor diesem Kerl, nicht vor uns. Ich denke, Ms. Renard gehört zu den Leuten, die der Polizei grundsätzlich misstrauen und dem bösen FBI erst recht.“ Er verzog das Gesicht. „Du kennst doch unseren unrühmlichen Spitznamen, bei dem das I für ‚Intimidation’ steht, für Einschüchterung. Und gerade hier in Savannah wirken zwei weiße Agents bei jemandem wie Ms. Renard besonders einschüchternd, allein schon wegen unserer Hautfarbe. Political Correctness hin oder her.“
Travis hatte natürlich recht. Das machte die Sache aber nicht leichter. Und milderte erst recht nicht seine
Weitere Kostenlose Bücher