Schattenstürmer
Miene durchstreifte ich den Saal. Man spähte zu mir herüber. Ich hatte den Eindruck, als hätte ich eine halb vergammelte Katze mitgebracht und auf die Festtafel geschleudert.
Mit den weiten Röcken raschelnd zwängte sich eine Frau an mir vorbei, deren Gesicht von einem Schleier verhüllt wurde. »Ich bitte um Vergebung, Mylord«, brachte sie heraus, nachdem sie mich fast angerempelt hatte.
Gewiss, es war auch zu schwierig, einander auszuweichen. Das verstand ich ja.
Kurz darauf wiederholte sich das Ganze, bloß dass diese zweite Dame ihren Fächer vor meinen Füßen fallen ließ. »Ich bitte um Vergebung, Mylord, aber ich bin fürchterlich ungeschickt.«
Und ich sollte mich jetzt wohl bücken, den Fächer aufheben und ihn ihr geben? Nun gut. Sie lächelte freundlich und machte einen Knicks, wobei sie ihr tiefes Dekolleté meinem Blick darbot. Es kostete mich einige Überwindung, die Mylady stehen zu lassen, aber andernfalls hätte mir der Kobold die Leviten gelesen.
Kaum war ich weitergegangen, da machte mir eine dritte Lady beim Zusammenstoß schöne Augen. »Ich bitte um Vergebung, Mylord!«
»Achtet nicht darauf, teurer Dralan! Ich rette Euch!« Eine schwere Hand legte sich mir auf die Schulter und zog mich fort. »Verzeiht die Vertraulichkeit, aber ich bin nur ein Baron, meine Ländereien liegen im Grenzgebiet. Den Umgang mit dem Schwert bringt man uns weit früher bei als gute Manieren. Und ich glaube, auch Ihr achtet nicht allzu genau auf die Etikette! Aber ich will mich Euch vorstellen. Baron Oro Habsbarg, zu Euren Diensten!«
Ich deutete eine Verbeugung an.
Ein riesiger Mann, fast so groß wie Met, mit einem dichten schwarzen Bart, kleinen schwarzen Augen, einem roten Gesicht und einer dröhnenden Stimme. Oro Habsbarg erinnerte eher an einen Bären als an einen Baron. Wie bei allen anderen Anwesenden prangte auch auf seiner Brust neben dem eigenen Wappen (eine schwarze, Blitze speiende Wolke auf grünem Grund) eine Brosche in Form einer Nachtigall.
»Was haltet Ihr von diesem Wein?«, fragte mich mein neuer Bekannter.
Ich antwortete ihm mit der reinen Wahrheit: »Nichts.«
Der Baron lachte ohrenbetäubend und schlug mir voller Begeisterung auf den Rücken, womit er mir beinah das Rückgrat brach. »Ihr gefallt mir! Ich sage immer: Mit mehr Dralanen im Königreich gäbe es unter den Adligen weniger Faulpelze! Kaum dass Ihr den Saal betreten habt, hieß es natürlich, Ihr seid dumm und hinterwäldlerisch! Aber diesen Bären lass ich mir nicht aufbinden!«
»Und wer genau hat sich in dieser Weise geäußert?«, fragte ich, während ich nach dem Schlag des Barons noch nach Atem rang.
»All diese Morschhölzer!« Der Baron schloss mit einer generösen Handbewegung den ganzen Saal in die Bemerkung mit ein. »Was glaubt Ihr, verehrter Dralan, was die den lieben langen Tag machen?« Die schwarzen Äuglein Oro Habsbargs funkelten wütend. »Tratschen! Was anderes haben sie nicht zu tun! Diese Schnösel! Nennen sich Männer – und kippen sich Duftwasser auf die Taschentücher!«
Ich fürchtete schon, der Baron wolle sich in seinem Ekel direkt auf meinem Wams auskotzen!
»Könnt Ihr Euch das vorstellen?!« Nun blähte der Baron die Nasenflügel und roch aufmerksam. »Ihr ragt angenehm unter all diesen Laffen heraus«, brummte Oro Habsbarg zufrieden, grinste sich in den Bart und zwinkerte mir zu. »Habe ich Euch nicht trefflich vor diesen Schlangen gerettet?«
»Wie bitte?« Ich verstand nicht recht.
»Vor all diesen berockten Dämonen. Diesen Witwen! Die haben nichts Besseres zu tun, als sich einen Mann ins Bett zu holen. Gut, das Bett ist eine feine und wichtige Sache, aber bevor ein Mann zur Sache kommen kann, schmieren diese Damen, die besser Huren zu nennen sind, einem Gift auf die Ei… Ich wollte sagen, dass sich ihre Männer lieber von Ebern und Oburen haben abstechen lassen, als ihre Gegenwart zu ertragen.«
Ich nickte. Offenbar brauchte der Baron einen dankbaren Zuhörer. Er hatte ihn gefunden.
»Sie verweichlichen, die Adligen. Sie verweichlichen einfach«, erklärte der Baron mit einem gottergebenen Seufzer. »In ihren Adern fließt schon lange kein Blut mehr, sondern nur noch Wasser. Von uns beiden einmal abgesehen, versteht sich.«
»Versteht sich.«
Trotz seiner lauten Art und der nicht gerade guten Manieren gefiel mir der Mann.
»Wie viele Schwerter hat Euer Herzog?«
Die Frage trieb mich in die Enge. Wie viele Schwerter hatte denn der Herzog Ganet Schagor? Und um was für
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