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Schattenstürmer

Schattenstürmer

Titel: Schattenstürmer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexey Pehov
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an meine Mutter wenden, liebe Gräfin.«
    »Und wie, wenn ich fragen darf? Da sie doch seit Langem tot ist!«
    Verdammt! Allmählich wurde es höchste Zeit, dieses Gespräch zu beenden.
    »Ja, ein großer Verlust«, mischte ich mich ins Gespräch ein und fasste Aal unterm Arm. »Doch gestattet, dass wir uns zurückziehen, wir haben noch allerlei zu erledigen.«
    Bevor sie etwas erwidern konnte, hatte ich Aal bereits zur Marmortreppe am gegenüberliegenden Ende des Saals entführt. Der fassungslose Blick der Gräfin bohrte sich mir in den Rücken. Ja, was erwartete sie denn von einem Dralan, der gerade erst den Pflug aus der Hand gelegt hatte? Gepflegte Manieren?
    Links von mir brach Gelächter aus. Natürlich. Kli-Kli unterhielt die adligen Herren. Da der Narr seine Sache gewissenhaft anpackte, wieherten all diese Laffen nicht schlechter als das einfache Volk. Kli-Kli sang Liedchen, jonglierte mit drei gefüllten Weingläsern und trug Rätsel vor. Für meinen Geschmack waren diese Scherze viel zu plump, doch beim Adel kamen sie bestens an.
    »Gehen wir nach oben«, sagte ich zu Aal. »Wir wollen doch mal sehen, was es da gibt.«
    Wir stiegen die Treppe in den ersten Stock hinauf und fanden uns auf einer Galerie wieder, die den Saal umlief. Von hier aus hatten wir einen vorzüglichen Blick nach unten. Von der Galerie führten zwei Gänge weg. In dem einen hingen in riesigen, vergoldeten Rahmen zahllose Bilder, eine ganze Porträtgalerie. Aus purer Neugier trat ich an die erste Leinwand heran. Mit verschmitztem Blick sah mich Graf Balistan Pargaide in ureigener Person an. Auf dem nächsten Gemälde war ein Mann dargestellt, der wie eine Nachahmung Pargaides wirkte, fraglos sein Vater. Ich machte noch einen Schritt, um mir den Großvater des liebwerten Grafen anzusehen, als es plötzlich in meinem Bauch kitzelte. Miralissas Worte über den Schlüssel und das Kitzelgefühl fielen mir ein.
    Bei Sagoth, der Schlüssel musste ganz nah sein!
    »Ich spüre etwas, Aal. Du musst mir notfalls Deckung geben!«
    Ich drang tiefer in den Gang vor, entfernte mich immer weiter von dem Saal, in dem die Feier der Nachtigallen stattfand, und blieb allein mit den Bildern, von denen herab mich die zahlreichen Vorfahren Balistan Pargaides anblickten.
    Das Kitzeln im Bauch nahm zu. Der Schlüssel rief mich, lockte mich zu sich.
    »Ich bin hier! Hier! Hier! Schneller! Die Bande rufen dich!«, meinte ich zu hören.
    Der Schlüssel musste sich hinter einer der beiden Türen neben dem letzten Porträt im Gang befinden. Ich trat an sie heran, blieb jedoch unwillkürlich stehen. Das letzte Gemälde in der Reihe hatte meine Aufmerksamkeit auf sich gezogen. Nur mit purer Willenskraft gelang es mir, einen Aufschrei zu unterdrücken.
    Das Bild war alt. Sehr alt. Davon zeugten die Farben, die über die Jahre nachgedunkelt waren, und auch der Stil, den der Künstler gewählt hatte. Als Meisterdieb wusste ich es natürlich genauer: Das Gemälde war mindestens fünfhundert Jahre alt, der Porträtierte hatte vor eintausendfünfhundert Jahren gelebt.
    Der Mann war über fünfzig Jahre alt, mager, mit grauen Schläfen und einem grau melierten, gepflegten Kinnbart. Einen Schnauzbart hatte er nicht. Die braunen Augen blickten mich mit freundlichem Spott an. Diesen Mann kannte ich, besser gesagt, ich hatte ihn gesehen, auch wenn er zu einer Zeit gelebt hatte, da Ranneng noch ein kleines Dorf gewesen war und Awendum nicht einmal bestand. Ich hatte ihn im Traum gesehen! Dieser Mann hatte den Zwerg erschlagen, um den Schlüssel an sich zu bringen, dann aber den Tod durch einen Elfendolch gefunden. Mir fiel wieder ein, dass auf das Wams dieses Mannes eine goldene Nachtigall gestickt war. An den hatte mich Balistan Pargaide also erinnert! Die familiäre Ähnlichkeit zwischen dem heutigen Diener des Herrn und dem Mann, der tief unten im Zwergengebirge gestorben war, sprang ins Auge! Wie hieß er doch?
    »Suowik Pargaide«, erklang hinter mir eine leise Stimme.
    Ich drehte mich um. Balistan Pargaide, natürlich. Ich hatte überhaupt nicht gehört, wie er sich mir genähert hatte. Dabei lag auf dem Marmorboden nicht einmal Teppich aus dem Sultanat. Da Aal mich auch nicht gewarnt hatte, musste der Graf aus einer der beiden Türen herausgekommen sein.
    »Ich bitte um Vergebung, Graf«, sagte ich. »Als ich die Gemälde sah, konnte ich der Versuchung nicht widerstehen.«
    »Eure Neugier hat Euch ja schon weit gebracht, Dralan«, erwiderte Balistan Pargaide und lachte

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