Schattenstürmer
einen Ehrenplatz zugewiesen und ihm wurde Essen für ein ganzes Regiment vorgesetzt. Auch wir Übrigen durften uns in Lämplers Ruhm sonnen und an einem Tisch der Adligen Platz nehmen. Ich hätte mich lieber in den dunkelsten Winkel des Saales verkrochen, an einen abseits stehenden Tisch, da hätte ich mich wohler gefühlt. Hallas und Deler hatten offenbar mit alldem keine Schwierigkeiten, das Pärchen fraß und soff voller Genuss alles, was aufgetischt wurde, rülpste laut und beharkte sich wie gewohnt.
Von den zahllosen Trinksprüchen auf Mylord Algert, seine wunderbare Tochter, Mylord Alistan Markhouse, die ruhmreichen Elfen, Meister Lämpler, den Tod der Orks, das Grenzkönigreich und dergleichen mehr schwirrte mir der Kopf. Deler glühte schon rot vom Suff, Hallas war eingenickt, Marmotte brachte kaum ein Wort heraus, und Kli-Kli steckte unter dem Geschrei der adligen Damen Triumphator in einen Weinkrug. Überhaupt gab Kli-Kli den ganzen Abend seine Streiche zum Besten – was ihm einzig die persönlichen Narren Algert Dallys verübelten, die ihm am liebsten den Hals umgedreht hätten.
Ein Gang folgte dem nächsten, ein Lied löste das andere ab. Irgendwann stieß mir Met den Ellbogen in die Seite und sagte: »Hast du schon gehört? Wir brechen morgen noch vor dem ersten Hahnenschrei auf. Wenn uns die Götter helfen, sind wir in zwei Tagen in Sagraba.«
»Ich kann nicht behaupten, dass ich mich darüber freue. Hinter Steinmauern fühle ich mich nämlich wesentlich sicherer als mitten im Wald, Met.«
»Gefahrlose Orte gibt es nicht, Garrett«, entgegnete Met. »Der Tod kriecht selbst durch Steinmauern, wenn dein Schicksal es bei deiner Geburt so verfügt hat. Arnch wurde zum Beispiel von einer Hexe prophezeit, er würde ertrinken. Natürlich hat er darüber nur gelacht. Nun, du weißt ja selbst, was geschehen ist. Wenn du Wölfe fürchtest, hast du in Sagraba nichts zu suchen.«
»Wenn es nur um die Wölfe ginge …«
»Stimmt auch wieder«, erwiderte Met und trank einen Schluck Bier. »Ich sage ja, alles hängt von deinem Schicksal ab.«
»Dann werd ich mal schlafen gehen.« Ich stand auf. »Ich hab schon viel zu lange hier rumgesessen.«
»Du bleibst schön da und trinkst deinen Wein, Garrett-Barrett!« Kli-Kli kam angesprungen. »Du solltest dein Schicksal nicht herausfordern.«
»Was meinst du damit?«
»Die Wachleute am Tor berichten, dass Balistan Pargaide aufgebrochen ist.«
»Ja und?«
»Als er hier ankam, waren zwanzig Mann bei ihm, aber aufgebrochen ist er mit achtzehn. Einen hat Mumr durchlöchert, das wären neunzehn. Aber wo ist Nummer zwanzig?«
»Bleichling!« Ich bekam eine trockene Kehle. »Vielleicht trinke ich doch noch ein wenig.«
»Recht so.« Der Kobold nickte billigend. »Ich würde dir auch davon abraten, allein durchs Schloss zu streifen.«
»Hat man ihn schon gesucht?«
»Machst du Witze? Natürlich! Aber in einem solchen Riesenschloss könnte man ein Mammut verstecken, und niemand würde es finden, bis es verreckt ist und anfängt zu stinken. Was verlangst du da bei einem Menschen ?«
»Warum sagst du mir das eigentlich erst jetzt?!«
»Ich wollte dir weder die Stimmung noch den Appetit verderben.« Kli-Kli sah mich mit treuherzigem Blick an.
»Mach, dass du mir aus den Augen kommst! Du bist ja schlimmer als die Pest!«
»Keine Sorge, Schattentänzer, wir sind alle bei dir. Vielleicht trinke ich sogar ein Schlückchen, um dir Gesellschaft zu leisten. Was meinst du, wenn ich sie bitte, ob sie mir dann ein Glas Milch bringen?«
»Vielleicht …« All meine Gedanken waren bei Bleichling.
Er war es, der zurückgeblieben war und sich im Schoss versteckt hatte, das stand für mich außer Frage. Und zwar um eine bescheidene Person namens Garrett ins Licht zu schicken. Natürlich konnten solche Überzeugungen meine Stimmung nicht gerade heben. Als ich irgendwann doch auf unser Zimmer ging, überprüfte ich alle Fenster, die Tür und sogar den Kamin. Der Kamin war zu schmal, die Tür hatte einen massiven Riegel aus Eiche, die Fenster lagen fünfzig Yard über dem Boden.
Kli-Kli, Hallas und Deler schliefen längst, da lag ich immer noch wach und starrte die Decke an – bis sich endlich der Schlaf meiner erbarmte.
Schmerzensschreie und wütendes Gebrüll weckten mich plötzlich und ließen mich nach der Armbrust greifen.
»Was ist los?«, schrie der schlaftrunkene Deler.
»Macht Licht!«, zischte Kli-Kli.
»He, ihr! Alles in Ordnung?«, rief jemand draußen im
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