Schattenstürmer
unseres Verfolgers kamen immer näher, der Abstand zu Bass, der vor mir lief, wurde jedoch immer größer. Verzweifelt stöhnte ich auf: Ich musste das unter Mühen beschaffte Fell loswerden. Ich klemmte mir den Beutel zwischen die Zähne und knöpfte den Pelz im Laufen auf. Er glitt von meinen Schultern und landete im Schnee. Das machte die Sache entschieden einfacher. Ich legte einen Zahn zu und holte Bass ein.
»Hier lang!«, schrie ich ihm zu und bog scharf rechts in eine Gasse ab.
Bass folgte mir. Der Mann, der mich schon fast erwischt hatte, schoss an uns vorbei und fluchte wild. Nun konnten wir versuchen, in den verwinkelten Gassen der Vorstadt unterzutauchen.
»Der reißt uns den Kopf ab!«, presste Bass heraus.
Ich erwiderte nichts, rannte nur noch schneller und hoffte inständig, Bass’ Prophezeiung möge sich nicht bewahrheiten. Irgendwann hörte ich, dass der Kerl schon wieder hinter uns war und laut drohte, uns beide Hände abzuhacken. Allmählich schwanden meine Kräfte, während der verfluchte Unbekannte offenbar überhaupt keine Müdigkeit kannte.
Plötzlich tauchten förmlich aus dem Nichts die Hände von jemandem auf. Bass und ich wurden am Kragen gepackt und in eine halbdunkle Nische gezogen. Bass schrie verängstigt auf und fuchtelte mit den Armen herum. Auch ich versuchte, mich zu befreien und unseren Häscher zu treten.
»Haltet den Mund, wenn euch euer Leben was wert ist!«, flüsterte eine Stimme. »Rührt euch nicht!«
Von dieser Stimme ging etwas aus, das uns dazu brachte, augenblicklich zu verstummen.
Unser Verfolger flog an der Nische vorbei. Seine exquisiten Flüche hallten durch alle Winkel der Gasse.
Unser Retter lockerte seinen Griff immer noch nicht und lauschte in die Stille hinein. Ich nutzte die Gelegenheit, um den Beutel mit dem Gold heimlich in die Tasche zu stecken.
»Die Mühe kannst du dir sparen«, sagte der Unbekannte. »Ich stehle Taschendieben nichts.«
»Ich bin kein Taschendieb!«, widersprach ich. Vor Kälte klapperte ich mit den Zähnen. Der Pelz fehlte mir schon jetzt.
»Nicht? Aber was denn sonst?«, lachte der Mann.
»Ich bin ein Dieb!«
»Ein Dieb? Nun mal langsam! Mit meiner Hilfe könntest du vielleicht ein guter Dieb werden, Kleiner. Vielleicht aber auch nicht. Und jetzt will ich mir erst mal ansehen, wer mir hier ins Netz gegangen ist!«
Der Mann gab uns frei, trat aus der Nische heraus und musterte uns. »Und?«, fragte der Unbekannte. »Wie heißt ihr?«
»Ich bin Bass der Schleicher«, antwortete Bass und zog die Nase hoch.
»Und ich Garrett der Floh«, sagte ich und besah mir den unvermutet aufgetauchten Retter.
»Freut mich«, sagte der Unbekannte lächelnd. »Ich bin For. For der Klebefinger.«
»Kennst du diesen Kerl, Garrett?« Hallas’ Stimme riss mich aus meinen Erinnerungen.
»Ja, das ist ein alter Bekannter«, brummte ich. »Ein Freund.«
»Ein sehr alter«, flocht Bass lächelnd ein. »Freut mich, dich gesund und munter zu sehen, Garrett!«
»Ganz meinerseits«, entgegnete ich nicht gerade freundlich.
»Wie geht es For?« Bass schien meinen groben Ton nicht bemerkt zu haben.
»Sagoth sei Dank, gut.«
»Bildet er immer noch die Jugend aus?«, erkundigte sich Bass.
»Nein, er ist jetzt ein Priester Sagoths. Er hat es weit gebracht, ist Verteidiger der Hände.«
Bass stieß einen Pfiff aus.
»Hör mal, Garrett, kannst du das Plauderstündchen mit deinem Freund vielleicht auf später verschieben?«, blaffte der Gnom. »Vielen Dank für Eure Hilfe, werter Herr, aber wir müssen jetzt weiter.«
»Deler«, wandte ich mich an den Zwerg, »erstatte Bass das Geld.«
Zu meiner Überraschung legte der Zwerg nicht einmal Protest ein, kramte in seinem Beutel und holte drei Silberlinge heraus.
»He!«, empörte sich Bass. »Ich brauche euer Geld nicht! Einem Freund zu helfen ist doch Ehrensache!«
»Geld hat dabei noch niemanden gestört, Bass«, sagte ich. »Mach’s gut! Ach ja, falls es dich interessiert, Markun weilt nicht mehr auf dieser Welt.« Dann drehte ich mich um.
»Ist nicht dein Ernst, oder?«, fragte er. »Du lässt mich einfach hier stehen – nachdem wir uns seit mehr als zehn Jahren nicht gesehen haben?«
»Ich muss dringend weiter, Amigo«, sagte ich.
»Wo bist du abgestiegen, Garrett?«, schrie mir Bass hinterher.
»Ich glaube nicht, dass ich für dich Zeit habe, Bass«, wandte ich mich noch einmal zu ihm um. »Ich bin nur auf der Durchreise, morgen werd ich schon wieder weg sein.«
Nach diesen Worten
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