Schattenstürmer
»Ich gebe mich geschlagen! Spar dir deine Tirade!«
»Schon besser!«, trumpfte Kli-Kli auf und verschwand im Gebüsch.
Ich folgte ihm. Solange Miralissa nicht in Erfahrung gebracht hatte, wem der Kasten gehörte, und sie und Alistan keinen Plan entwickelt hatten, wie wir dort hineinkamen, konnte auch niemand irgendwelche unüberlegten Schritte von mir erwarten. Und im Grunde war es ja wirklich einerlei, ob ich im Gebüsch lag oder in der Schenke saß.
Das heißt: In der Schenke würde mir Miralissa womöglich mit Fragen zusetzen. Nachdem mich in der Harganer Heide das Gespenst von Walder vor dem purpurroten Flugmonster gerettet hatte, hatte sie mich sehr aufmerksam angesehen. Auch ihr hatte ich nicht erzählt, dass in meinem Kopf der Geist des toten Erzmagiers hauste, sondern lediglich behauptet, ich wüsste nicht, was mich gerettet hatte! Ich wollte der Elfin einfach nicht erzählen, was wirklich an der alten Schlucht geschehen war. Aber vielleicht war das auch Walders Wunsch.
Marmotte und Egrassa hatten in der Tat einen hervorragenden Unterschlupf hergerichtet. Von der Straße aus schien das Gebüsch völlig unberührt. Sobald man sich jedoch in das Strauchwerk hineinschlängelte, geriet man in einen bequemen grünen Verschlag aus biegsamen Ästen und Gras, der ausreichend Platz für zwei Mann bot. Wir waren zwar nicht zwei, sondern vier, aber Kli-Kli war klein, und ich machte mich schmal, sodass wir alle bequem in die Höhle passten.
Lämpler legte sich sofort ins Gras, schob sich die Rolle mit dem Schwert unter den Kopf, riss einen Grashalm aus, steckte ihn sich in den Mund und richtete sich ein, durch die Zweige hindurch die Wolken zu beobachten, die am Himmel vorüberzogen. Übrigens eine vorzügliche Beschäftigung für alle, die schnell einschlafen wollen.
Aal behielt das Tor im Auge, und nur Kli-Kli und ich litten an Langeweile. Der unruhige Kobold konnte keine Minute still sitzen, und je länger wir in unserem Beobachtungsposten ausharrten, desto mehr machte ihm das Ganze zu schaffen.
»Du wolltest unbedingt hier rein, jetzt finde dich damit ab«, sagte ich schadenfroh.
Der Kobold schnaubte nur verächtlich, streckte sich neben Mumr im Gras aus, und fing ebenfalls an, die vorbeiziehenden Wolken über uns zu zählen. Es waren jedoch keine fünf Minuten vergangen, da zuckte er zusammen, trat mich in die Seite und kroch zu Aal. »Gibt’s was Neues?«, fragte er.
»Nein«, antwortete der Garraker, ohne den Blick vom Tor zu lösen.
»Schade!«, stöhnte der Kobold, bevor er mich abermals in die Seite trat und erneut die Wolken zählte.
Zehn Minuten später wiederholte sich die Geschichte. Ein Tritt in die Seite, Herankriechen an Aal, Frage, Antwort, ein enttäuschtes »Schade«, ein Tritt in die Seite.
Beim dritten Mal platzte mir der Kragen: »Kli-Kli! Bleib endlich still liegen, oder du kannst was erleben!«
»Ich will nur kurz zu Aal.« Es folgte ein Tritt in die Seite. Als ich zurücktreten wollte, entkam der Narr wie durch ein Wunder meinem Fuß, kicherte und streckte mir die Zunge raus. »Gibt’s was Neues?«
»Nein.«
»Schade! Au!«
Als Kli-Kli gerade hatte zurückkrauchen wollen, hatte Aal ihn sich geschnappt und hielt ihn jetzt fest. »Bleib liegen!«
»Warum?!«
»Du hast Garrett lange genug gepiesackt.«
»Aber ich habe doch gar nichts gemacht!« Trotzdem rührte er sich nicht mehr vom Fleck.
Die Zeit zog sich endlos dahin. Mumr kaute auf seinem Grashalm, Kli-Kli döste, erschöpft vom Nichtstun, ich lag mir die Seite wund. Nur Aal regte sich nach wie vor nicht, verharrte noch immer in der Stellung, die er vor zwei Stunden eingenommen hatte, und behielt das Tor im Auge. Doch da gab es keine Bewegung. Zweifellos wurde das Grundstück bewacht, und zwar gut. Schließlich lebte hier ein bedeutender Adliger. Dennoch entdeckten wir keine Posten.
Erst als sich die dritte Stunde ihrem Ende zuneigte, flüsterte Aal: »Na endlich!«
Ich setzte mich auf und schob einen Zweig vorsichtig zur Seite, um freie Sicht aufs Tor zu haben. Zwei Posten aus der Leibwache des Hausherrn (auf ihre Kleidung waren Embleme gestickt, die ich aus dieser Entfernung allerdings nicht genau erkennen konnte) öffneten das schwere Tor.
»Was bedeutet das?«, fragte Kli-Kli noch leicht schlaftrunken.
»Es kommt Bewegung ins Kakerlakennest«, brummte Mumr. »Rück mal ein bisschen, Garrett, ich seh nichts.«
Reiter kamen aus dem Tor. Einer, drei, fünf. Und Bleichling, hol ihn das Dunkel!
»Bleichling ist bei
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