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Schattenstürmer

Schattenstürmer

Titel: Schattenstürmer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexey Pehov
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Gesetzen der Schweinerei stolperte ich dabei über irgendetwas. Man braucht kein Genie zu sein, um zu mutmaßen, dass dieses Stolpern nicht lautlos vor sich ging (was noch untertrieben ist). Ja, mir kam es sogar vor, als sei das Scheppern dieses verdammten Tellers, der noch vom letzten Gefangenen stammte, in ganz Siala zu hören gewesen.
    Wie nicht anders zu erwarten, erstarrte der Alte und spähte mit seinen toten Augen in die Dunkelheit. Dorthin, wo ich mich versteckt hielt.
    Mir fiel nichts Besseres ein, als einen Holzklotz oder Stein zu mimen. Mit schlichten Worten ausgedrückt: Ich setzte alles daran, mich nicht zu rühren und nicht zu atmen.
    Der Wärter sog die Luft ein. Ich schickte Sagoth ein Gebet, er möge mich nicht bemerken. Der Alte wechselte die Laterne von der rechten in die linke Hand. In der rechten Hand erschien nun wie durch Zauberei eine Waffe. Mehr als alles andere erinnerte sie an … Woran kann das Oberschenkelbein eines Menschen erinnern, dessen eines Ende zugespitzt ist? Jawohl, nur an ein Oberschenkelbein mit zugespitztem Ende.
    Im Licht der Laterne sah der Knochen gelb aus, lediglich die scharfe Spitze, die so sehr an eine Lanze denken ließ, war von schmutzig-rostiger Farbe. Der Farbe eingetrockneten Blutes. Der Alte bleckte die Zähne und entblößte gelbe, faule Stummel, packte die seltsame Waffe fester, hielt die Laterne hoch vor sich und bewegte sich auf die Zelle zu.
    Wer behauptet, in den letzten Sekunden vor dem Tod ziehe an einem Menschen sein durchlebtes Leben noch einmal wie eine Herde Doralissaner vorbei, der irrt. Das ist eine offene, gemeine und gottlose Lüge. Ich sah in diesen Sekunden überhaupt nichts. Wie sollten auch irgendwelche Bilder entstehen, wenn einem vor Angst die Knie schlottern?
    Doch der Gott aller Diebe schien mein Gebet erhört zu haben! Oder der Gestank, an den ich mich bereits gewöhnt hatte, schlug dem Alten allzu heftig in das empfindsame Näslein! Jedenfalls blieb er drei Schritt vor der Tür stehen.
    Der Alte sah jetzt genau in meine Richtung, doch das Licht der Laterne endete fünf Schritt vor mir. Er bräuchte bloß noch ein paar Schritte zu machen – und ich stünde mitten im Lichtkegel! Das Herz hämmerte mir lauter in der Brust als der Schmiedehammer eines Gnoms. Hörte der Alte das denn wirklich nicht?
    Der Wärter spähte lange ins Dunkel. Sehr lange. Mindestens eine Minute. Eine Minute, die mir wie ein Jahr vorkam. Eine Minute, in der ich um ein ganzes Jahrhundert alterte.
    »Verfluchte Ratten«, zischte er schließlich. »Habt ihr euch wieder vermehrt, ihr verdammte Brut! Was fresst ihr hier eigentlich?«
    Der Alte steckte seine beinerne Waffe in den Ausschnitt, nahm die Laterne wieder in die rechte Hand und schlurfte den Korridor in Richtung Treppe hinunter. Sobald er verschwunden war, vermochte ich nur noch das kleine Stück Gang und die Tür zu sehen, hinter der die Gefangenen hockten, alles andere lag schon wieder im Dunkeln.
    Ich verzichtete auf jede wahnsinnige Tat und schlich dem Wärter nicht hinterher. Nachdem ich die Augen des Alten gesehen hatte, verspürte ich nicht mehr die geringste Lust, die stinkende Zelle zu verlassen. Lieber wartete ich ab und pirschte mich erst später langsam und leise zur Treppe, sei es auch in tiefster Finsternis.
    Deshalb rührte ich mich nicht von der Stelle und gab dem Alten Gelegenheit, sich möglichst weit von meinem Versteck zu entfernen.
    Ich fragte mich, ob ich nicht überhaupt besser die Treppe nahm, über die ich in diesen Gang heruntergekommen war, zu meinem Ausgangspunkt zurückkehrte und einen anderen Weg suchte. Mit einem Mal schreckte mich die Vorstellung, den langen Weg zurückzugehen, nämlich gar nicht mehr. Jetzt würde ich sogar das Zwergengebirge abtragen, sofern ich nur vor einer weiteren Begegnung mit diesem Alten verschont bliebe. Keine Ahnung, warum er mir einen solchen Schrecken eingejagt hatte, aber seine Aug…
    Ich ließ meinen Gedanken unvollendet und konzentrierte mich auf meine Lage. Das Schlurfen der Schritte verebbte, im Gang breitete sich eine alles verschlingende Stille aus. Und Licht! Da war noch Licht!
    Doch das plötzliche Fehlen des Schlurfens und das schwache Licht konnten nur eines bedeuten: Der Alte musste stehen geblieben sein. Aber weshalb – hol ihn doch das Dunkel!
    Den Blick fest auf die Türöffnung geheftet, tat ich vorsichtig einen Schritt nach links, dann noch einen und noch einen.
    Und hätte beinahe einen Herzinfarkt bekommen! Ehrenwort, noch nie

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