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Schattenstürmer

Schattenstürmer

Titel: Schattenstürmer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexey Pehov
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war der Titel nahen Verwandten des Königs vorbehalten. In Aals Adern musste Königsblut fließen! Er war kein einfacher Adliger, ja, er war nicht einmal nur ein Herzog! Er war ein Kronherzog, der den Thron erben würde, falls der König ohne Erben stürbe.
    »Mein Vater ist Marled van Arglad Dasz, ein Cousin des Königs von Garrak. Er ist bereits der sechste Zahn des Drachen in unserer Familie. Das ist eine hohe Ehre, Dieb! Die höchste Ehre, die einem Adligen in unserem Königreich zuteilwerden kann!«
    Das wusste ich. Darüber hinaus zählt für einen Garraker Adligen nichts weiter im Leben als Ehre, Königstreue, jahrhundertealte höfische Traditionen und was dergleichen noch mehr ist an solchen mir unverständlichen Begriffen.
    »Ich bin der älteste Sohn, sodass ich Zahn des Drachen hätte werden sollen. Hätte …« Aal knirschte mit den Zähnen.
    »Was hat dich daran gehindert?«, fragte ich.
    Er sah mich an, und ich entdeckte einen alten, tiefen Schmerz in seinen Augen.
    »Was mich daran gehindert hat?«, fragte er abwesend zurück. Jetzt befand er sich weit entfernt von hier, irgendwo in seiner Vergangenheit. »Meine Jugend, meine Vermessenheit und vermutlich mein Stolz … Ich habe geglaubt, man könne alles im Leben erreichen. Ich war der älteste Sohn vom Zahn des Drachen, der Neffe des Königs, auf mich wartete eine glänzende Karriere in der Armee. Ich war der beste Schwertkämpfer im Königreich, vom König und meinem Vater abgesehen. Ich hielt mich für den Besten in allen Dingen, und viele dachten ebenso wie ich. Und wer anderer Meinung war, fand sich nach einem Duell im Grab wieder. Ich war kalt und leichtsinnig, der Liebling des Adels und der Frauen. Ich! Ich! Ich! Das hat mir am Ende das Genick gebrochen …«
    »Wie das?«
    Ich hätte den Garraker nicht unterbrechen sollen. Aal schüttelte den Kopf, um die Erinnerungen an die Vergangenheit zu vertreiben, und starrte auf das Gitter. »Das spielt keine Rolle, Garrett«, sagte er. »Das sind Geschichten längst vergangener Tage. Ich habe einen Fehler gemacht, ich habe mich, meinen Vater, unsere Familie und meinen König mit Schmach bedeckt. Die Scham darüber wird nur durch den Tod abgespült. Deshalb starb ich. Ulis van Arglad Dasz hörte auf zu existieren, Aal wurde geboren … Das war vermutlich das Beste für alle. Mit diesem Tod habe ich die Ehre meiner Familie gerettet. Niemand hat je erfahren, dass ich noch lebe. Ich … ich konnte mir zum gegebenen Augenblick den Dolch einfach nicht in die Kehle rammen. Weder mein Vater noch der König – der schon gar nicht – wissen davon, obwohl ich vermute, dass mein kleiner Bruder etwas ahnt. Ich habe mein Land verlassen. Habe auf meinen Namen verzichtet und auf die Möglichkeit, nach Garrak zurückzukehren. Mir ist nichts geblieben, außer meinen beiden Schwertern und der Fähigkeit, sie zu führen. Ich ging in einen anderen Teil der Nordlande und wurde zu einem Wilden Herzen. Ich wurde zu demjenigen, den ich früher, als ich noch im Drachen Garraks diente, nicht sonderlich geachtet hatte. Hier hat mich niemand nach meiner Vergangenheit gefragt … Ich rede heute zu viel«, bemerkte Aal. »Das ist vielleicht nicht erstaunlich. Zehn Jahre lang ein Geheimnis zu wahren, das ohnehin niemand braucht, ist schwer. Verzeih, dass ich dich damit belästigt habe.«
    »Vergiss es!«
    »Und du vergiss dieses Gespräch, Garrett, ich hätte nicht davon anfangen sollen.«
    »Warum hast du es dann getan?«
    »Wahrscheinlich, weil ich dich um eine Gefälligkeit bitten wollte«, murmelte Aal und sah an die Decke. »Wenn ich sterbe, du aber überlebst, bring meinem kleinen Bruder den »Bruder« und die »Schwester«. Er hat weit mehr Rechte darauf als ich, die Familienwaffen derer van Arglad Dasz zu tragen.«
    »Ich glaube nicht, dass ich Gelegenheit dazu haben werde«, sagte ich nach einer Weile. »Wir sitzen beide im selben Boot, wir werden zusammen gefressen werden.«
    »Versprich es mir einfach«, bat Aal.
    »Gut, dann verspreche ich es.«
    »Danke, Garrett. Das werde ich dir nie vergessen.«
    Natürlich nicht, dachte ich. In dem kurzen Zeitraum, den uns die unbarmherzige Sagra noch zumaß, würde es recht schwer werden, überhaupt irgendetwas zu vergessen.
    Hinter dem Gitter, das uns von der Nachbarzelle trennte, fiepte jemand. Wir drehten beide gleichzeitig den Kopf in Richtung des seltsamen Geräuschs.
    »Hast du das gehört?«, fragte ich Aal.
    »Mhm«, brummte er. »Das ist schlimmer als ein hungriger

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