Schattenstürmer
Außerdem: Wer würde dich denn beschützen, wenn ich nicht da wäre?«
»Mich beschützen? Willst du etwa behaupten, du beschützt mich?« Wir kehrten wohl zum hundertsten Mal zu diesem Punkt zurück.
»Wer sonst? Allein mir hast du es doch zu verdanken, dass du überhaupt noch am Leben bist.« Der Narr platzte geradezu vor Selbstgefälligkeit.
»Dir, mein kleiner grüner Quälgeist, habe ich einen Dorn im Hintern und kaltes Wasser im Bett zu verdanken. Außerdem hast du mich in diese dämliche Prophezeiung gesteckt und mir den Titel Dralan verpasst. Nicht zu vergessen diesen Pfauenaufzug, in dem ich mich neben dem Herzog zeigen soll. Wo ist er eigentlich?«
»Was, wo? Er ist dort, wo er auch die letzten zwanzig Jahre gewesen ist, in seinem Stammschloss auf einer Klippe in der Nähe der Issilia.«
»Ich meine nicht den Herzog Ganet Schagor, ich meine meinen Aufzug! Ich würde mir gern einmal ansehen, was unser verehrter Schankwirt auf deine Anweisung hin für mich besorgt hat! Also, in welchem Kostüm soll ich bei diesem Empfang erscheinen?«
»Ah!«, begriff der Kobold und sprang vom Stuhl. »Das wirst du bald sehen.«
»Bald? Warum nicht jetzt gleich?«
»Wir haben noch eine wichtige Sache zu erledigen. Folge mir, Schattentänzer, jetzt erhältst du deine letzte Lektion.«
»Geh doch zum Dunkel! Wie viel soll ich denn noch lernen?«, explodierte ich. »Du hast mich heute schon den ganzen Tag mit dieser Heraldik gequält, die selbst den Unaussprechlichen in den Wahnsinn treibt, von einem einfachen Dieb mal ganz zu schweigen. Mir reicht’s!«
»Du bist aber kein einfacher Dieb. Du bist ein Meisterdieb.« Der Narr richtete den Finger gleich einer Armbrust auf mich. »Und wir sollten dir wenigstens noch zeigen, wie man in erlesener Gesellschaft tanzt.«
Kli-Klis Ideen waren eine idiotischer als die andere.
»Du lehrst mich auch noch, Geburtshilfe zu leisten. Der Dieb als Hebamme. Dralane werden nicht zum Tanz aufgefordert! Außerdem kann ich das auch ohne deine Lektionen.«
»Sicher! Irgendeinen Janga.« Kli-Kli schnappte sich eine Kirsche, steckte sie in den Mund, kniff das linke Auge zu, zielte und spuckte den Kern zum Fenster hinaus. »Adlige halten sich anders beim Tanz. Also komm! Oder willst du dich am Ende doch noch blamieren?«
Zum x-ten Male am heutigen Tage stöhnte ich auf, was aber auch nichts änderte. Ich musste dem Narren in den Schankraum folgen, wobei ich jenen Tag verfluchte, an dem wir uns begegnet waren.
Die Wilden Herzen hatten sich alle versammelt. Nur Marmotte trug keine grüne Uniform, denn er würde mit Alistan und Ell in der Schenke bleiben. Auch Bass war hier unten und blickte wütend drein. Obwohl er kein Auge von der seltsamen Kleidung der Wilden Herzen wenden konnte, begriff er zum Glück rein gar nichts.
»He, Deler!«, rief Kli-Kli den Zwerg. »Komm her!«
Deler unterbrach seinen Streit mit Hallas und kam zu uns herüber. In der Livree sah der Zwerg wie eine Kuh in der Uniform der Seelenlosen Chasseure aus.
»Was ist?«
»Hör mal, Deler, um der guten Sache willen musst du uns einen Gefallen erweisen!«
»Welchen?« Deler schielte misstrauisch zu uns hinauf, denn er wusste sehr wohl, dass ein Gefallen nichts einbrachte – und Sachen, die nichts einbrachten, mochten Zwerge ganz und gar nicht.
»Umarme Garrett!«
Delers Gesicht wurde noch finsterer. »Hör mal, Kli-Kli! Auch wenn du mein Freund bist … Ich kann dir trotzdem eins verpassen. Ich bin nicht … so einer!«
»Du bist ein Stumpfhirn, Deler! Ich muss doch Garrett das Tanzen beibringen!«
»Ach so«, sagte der Zwerg, nahm den Hut vom Kopf und zerzauste seine feuerroten Haare. »Dann bin ich nicht groß genug. In dem Fall braucht ihr Met.«
»Met ist ein Bär«, erwiderte Kli-Kli, »der würde Garrett ständig auf die Füße treten.«
»Dann eben Arnch.«
»Wie sieht’s aus, Arnch?«
»Na klar, gern! Das wird ein Spaß«, grinste der kahle Soldat und stand vom Tisch auf.
Ein Spaß? Ich konnte Arnchs heiße Begeisterung für einen Tanz nicht teilen.
»Sehr schön! Also, Arnch, umarme Garrett! Die Hände auf die Taille! Auf die Taille! Weißt du überhaupt, was eine Taille ist? Eben! Garrett, hältst du dich für eine Statue? Mach es ihm nach! Sehr schön! Jetzt der Rücken! Den Rücken musst du gerade halten! Gerade, nicht stocksteif! Soll mich doch ein Ork fressen! So ist’s schon besser! Und jetzt seht her!«
Der Kobold machte uns einige undurchschaubare, äußerst wilde Schritte
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