Schattenstürmer
Silberfaden ein Wappen aufgestickt, ein Pflug, der die Erde aufriss. Die Breeches waren etwas eng und deshalb nicht sonderlich bequem. Hohe Stiefel mit Stickerei, ein anderthalb Hand breiter Gürtel und ein Dolch aus singendem Stahl in einer teuren Scheide mit einem Griff aus blauen Ogerknochen rundeten das Bild ab. Ein langer Atlasumhang mit schwarzem Futter, drei Fingerringe mit Rubinen, ein breitkrempiger Hut mit grüner Feder und eine geflochtene Kette aus massivem Gold setzte dem Ganzen die Krone auf. Wenn ich mit dieser Kette in einen Fluss fiele, würde ich mit Sicherheit wie ein Stein untergehen.
Ich sah Kli-Kli an, und der wollte mir schon seinen Eindruck kundtun.
»Kein Wort!«, kam ich ihm zuvor.
»Aber ich …«
»Kein Wort!«
»Wie du willst, Garrett«, gab Kli-Kli nach und legte die Hände aneinander, als sei er ein Priester der Silna.
Ich kam mir wie eine Vogelscheuche im Gemüsegarten vor. Bestimmt würde ich alle Spatzen ganz wunderbar abschrecken.
»Wie gefall ich dir, Garrett?« Kli-Kli fächerte den Umhang auf und drehte sich einmal um sich selbst.
Der Kobold trug ein Kostüm in Blau und Rot, auf dem Kopf saß ihm die Kappe mit den Glöckchen.
»Schön bunt.«
»Also genau so, wie es sein soll!«
Als wir wieder in den Schankraum hinunterkamen, lachte aus irgendeinem Grund niemand über meinen Aufzug.
»Mögen die Götter uns beistehen! Und jetzt los!« Daraufhin wandte sich Miralissa an mich: »Keine Sorge, ich werde das Haus auf magische Fallen hin prüfen.«
Sie hatte das grau-grüne Gewand der elfischen Späherin gegen ein prachtvolles, purpurfarbenes Seidenkleid getauscht, das eine Brosche aus schwarzem Stahl in Form des Mondes zierte. Ihr üblicher Zopf war einer Hochsteckfrisur gewichen, ganz in der Miranuächer Mode. Um ihren Hals lag eine Kette aus rauchgelben Topasen, die vorzüglich zu ihren Augen passten. Aus professioneller Sicht konnte ich festhalten, dass diese Kette für eine fünfjährige sorgenfreie Existenz stand, bei der man sich täglich ein Gelage erlauben durfte und das Geld zum Fenster rauswerfen konnte.
»Der Armreif.« Sie gab mir den Armreif der Oger. »Wenn Balistan Pargaide Aal danach fragt, sei in der Nähe und schenk ihm den Armreif.«
»Was?«
»Das ist nur ein geringfügiger Verlust, denn für uns stellt das Stück keinen besonderen Wert dar. Dafür erhöht es die Aussicht, in die Nähe des Schlüssels zu kommen, wenn du den Grafen für dich einnimmst.«
»Das meine ich gar nicht«, murmelte ich. »Warum soll ich denn den Armreif haben? Warum nicht Aal?«
»Das erzähl ich dir unterwegs.«
»Die Kutsche wartet bereits, Lady Miralissa«, beeilte sich der Schankwirt uns mitzuteilen.
»Ich danke Euch, Meister Quild«, erwiderte die Elfin mit einem freundlichen Lächeln. »Ihr habt uns sehr geholfen.«
»Das bin ich dem Andenken meines toten Onkels schuldig!«
»Behalte stets eins im Hinterkopf, Garrett«, mahnte mich die Elfin, während wir zu der herrlichen Kutsche gingen, vor die sechs Doralissaner gespannt waren. »Wir werden im Haus eines Dieners des Herrn sein.«
Eben. Uns blieb nichts anderes übrig, als zu hoffen, dass auf dem Empfang nur Dummköpfe anwesend sein würden und – falls doch Diener des Herrn auftauchten – sich kein Einziger von ihnen daran erinnern würde, dass aus Awendum ein Kobold und eine Elfin aufgebrochen waren.
Wir mussten auf ein Wunder hoffen und einen Wastarhandel mit dem Schicksal abschließen.
Und zwar im Haus eines Dieners des Herrn. Daran hätte mich Miralissa nicht zu erinnern brauchen.
Das vergaß ich keine Sekunde.
Kapitel 9
Der Dralan von Herzog Ganet Schagor
Es dunkelte bereits, als die Kutsche wie ein Geisterschiff aus irgendeinem alten Seemannsgarn durch die sich leerenden Straßen und Parks von Ranneng fuhr. Kli-Kli, die Elfen, Aal und ich saßen auf den weichen Bänken der Kutsche, Lämpler und Arnch hatten auf dem Kutschbock Platz genommen, Deler, Hallas, Met und Ohm ritten hinter uns her.
Miralissa hatte es den Wilden Herzen aufs Strengste verboten, irgendeine Waffe zu tragen, von Dolchen abgesehen, denn die Nachtigallen fürchteten von Ebern und Oburen gedungene Meuchelmörder viel zu sehr, als dass sie einem Unbekannten erlaubt hätten, ihr Haus mit einem Schwert zu betreten. Daraufhin hatte Deler die Elfin sofort mit mürrischer Stimme gefragt: »Könntet Ihr denn nicht ihren Blick abwenden? Genau wie bei der Wache von Ranneng, nachdem wir Meister Garrett und Aal befreit
Weitere Kostenlose Bücher