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Schattenstunde

Schattenstunde

Titel: Schattenstunde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kelley Armstrong
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hast meine Akte gelesen. Glaubst du wirklich, die würden mir ein Paar Hanteln und einen Sandsack kaufen?« Er sah sich im Waschmaschinenraum um. »Bist du müde?«
    »Nach dem gerade eben? Nein.«
    »Wie wär’s mit ein bisschen frische Luft? Rausgehen, einen Spaziergang machen?«
    Ich lachte. »Gern, wenn wir da nicht das kleine Problem mit der Alarmanlage hätten.«
    Er fuhr sich mit den Fingern durchs Haar und kämmte den Dreck heraus, den er von der Decke des Kriechkellers geschüttelt hatte. »Ich kenne den Code.«
    »Was?«
    »Glaubst du, ich würde Simon zum Gehen drängen, wenn ich den Code nicht kennen würde? Ich kriege uns hier raus, und wir sollten wirklich mal eine Runde machen, uns die Fluchtwege ansehen, die Verstecke. Auf die meisten Exkursionen komme ich nicht mit, ich habe also noch nie einen Blick auf die Gegend hier werfen können.«
    Ich verschränkte die Arme. »Du könntest jederzeit hier raus? Dir die Bewegung verschaffen, die du brauchst? Aber du hast’s noch nie getan?«
    Er verlagerte sein Gewicht auf den anderen Fuß. »Hab nie dran gedacht.«
    »Natürlich hast du. Aber es könnte ja irgendwo ein Alarm losgehen, wenn du die Alarmanlage ausschaltest. Oder man kann hinterher feststellen, dass jemand es gemacht hat. Also hast du’s nie drauf ankommen lassen. Aber jetzt sollten wir. Wenn wir erwischt werden – na ja, die glauben ja sowieso schon, dass wir irgendwas miteinander haben. Wir würden Ärger kriegen, weil wir uns rausgeschlichen haben, aber nicht die Sorte, die Simon und ich kriegen würden, wenn wir weglaufen.«
    Er kratzte sich am Kinn. »Gute Idee.«
    »Und du bist noch nie drauf gekommen.«
    Er sagte nichts. Ich seufzte und ging zur Treppe.
    »Chloe«, sagte er. »Moment. Ich …«
    Ich sah mich nach ihm um. »Kommst du?«

36
    F ünf Minuten später gingen wir die Straße entlang, während die Lichter von Lyle House hinter uns verblassten. Wir machten eine Runde um den Straßenblock und merkten uns alle möglichen Routen, die vom Haus wegführten. Dies war ein Teil von Buffalo, den ich nicht kannte, ein Viertel mit alten Häusern auf großen Grundstücken, wo man eigentlich einen Mercedes oder Cadillac in jeder Einfahrt zu sehen erwartet hätte. Allerdings sah man auch den Grund dafür, warum keine da waren: qualmende Industrieschlote nur ein paar Straßen weiter im Osten.
    Nachdem wir zwei Straßenblocks weit nach Westen gegangen waren, sahen wir vor uns Lichter, die ein Geschäftsviertel vermuten ließen. Derek bestätigte das. Genau wie das Wohnviertel war auch diese Gegend schon älter und sehr seriös, aber nicht gerade aufregend. Keine Pfandleihen und Sexshops, aber auch keine Kaffeebars und Bistros. Simon hatte Derek nach seinen seltenen Ausflügen erzählt, dass er eine Menge normaler, altmodischer Läden, Praxen und Büros mit vielen Durchgängen und dunklen Ecken dazwischen gesehen hatte.
    »Wenn ihr es bis in diese Gegend schafft«, sagte Derek, »dann
habt
ihr’s geschafft. Und wenn ihr in diese Richtung nicht gehen könnt«, er schwenkte den Arm nach hinten, zu der Fabrik dort hinüber, »geht dort lang. Alles Industrie da hinten. Ich bin sicher, ihr findet ein leeres Lagerhaus, wenn ihr ein Versteck braucht, in dem ihr eine Weile bleiben könnt.« Er sah sich um, musterte die Umgebung. Seine Nasenflügel blähten sich, als er die kalte Nachtluft einsaugte. Wahrscheinlich kam sie ihm bei seinem Fieber geradezu erholsam vor. »Kannst du dir das alles merken?«
    »Könntest du es noch mal wiederholen? Langsamer? Es mir vielleicht aufschreiben? Mit Illustrationen?«
    Er musterte mich finster. »Ich hab einfach nur gefragt, okay? Es ist wichtig.«
    »Wenn du dir Sorgen machst, dass wir nicht zurechtkommen, gibt es ja eine offensichtliche Lösung. Komm mit.«
    »Hör auf.«
    »Ich wollte ja nur sagen …«
    »Lass es einfach.«
    Er ging schneller, so dass ich mich beeilen musste, um noch mitzuhalten. Simon hatte recht gehabt, diese Frage stand nicht zur Diskussion. Aber ich konnte es nicht einfach dabei bewenden lassen.
    »Simon macht sich deinetwegen Sorgen.«
    »Yeah?« Er blieb stehen, drehte sich zu mir um und breitete die Arme aus. »Sehe ich aus, als ob alles in Ordnung wäre?«
    »Nein, du siehst aus wie ein Typ, der im Bett liegen und sein Fieber auskurieren sollte, statt durch die Gegend zu pirschen.«
    »Ich pirsche nicht«, schnappte er gereizter als nötig zurück. »Was ich damit gemeint habe, war, wo bin ich gerade? Auf der Straße, stimmt’s?

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