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Schattenstunde

Schattenstunde

Titel: Schattenstunde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kelley Armstrong
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heraus.
    »Cracker?«, fragte ich, während ich die Schachtel hochhielt.
    Er sah mich an, und schlagartig war ich wieder unten im Keller und segelte durch die Luft. Mein Lächeln verblasste, und ich schob ihm die Schachtel in die Hände.
    »Wir haben uns was zu essen besorgt«, sagte Rae.
    Er beobachtete mich immer noch, und seine Augen wurden schmal.
    »Ich hol den Saft«, sagte Rae, während sie sich an mir vorbeidrückte.
    Derek sah zu den Saftpackungen hinüber, die wir auf der Anrichte hatten stehen lassen. Der Beweis dafür, dass wir einfach einen Ausflug in die Küche gemacht hatten. Es war meine Idee gewesen, und ich hatte mich für besonders clever gehalten. Aber als Dereks Blick zu mir zurückkehrte, spürte ich, wie sich die Härchen in meinem Nacken aufstellten, und wusste, dass er es uns nicht abnahm.
    Ich trat einen Schritt vorwärts. Eine Sekunde lang rührte er sich nicht von der Stelle, und ich hörte nichts außer seinem Atem, sah nichts außer seiner beeindruckenden Größe, die über mir aufragte.
    Dann trat er zur Seite.
    Als ich an ihm vorbeiging, nahm er eine Zellophanhülle mit Keksen aus der Schachtel und streckte sie mir hin. »Die hast du vergessen.«
    »Stimmt. Danke.«
    Ich nahm einen Keks und flüchtete in den Gang hinaus, Rae hinter mir her. Derek folgte uns aus der Küche, ging aber in die andere Richtung zu den Jungenzimmern. Als ich die Treppe hinaufstieg, drehte ich mich um und blickte den Flur entlang. Derek war vor Dr. Gills Zimmer stehen geblieben und betrachtete die Tür.
     
    Wir lagen eine Viertelstunde lang bei ausgeschaltetem Licht in unseren Betten, lange genug, dass Derek Zeit gehabt hatte, den Schwestern Bescheid zu sagen oder einfach wieder ins Bett zu gehen. Meine Finger streiften ständig die beiden Blätter, die ich in den Bund meiner Schlafanzughose geschoben hatte. Schließlich kam Rae zu mir herüber, die Taschenlampe in der Hand.
    »Das war knapp«, sagte sie.
    »Meinst du, er sagt’s den Schwestern?«
    »Nee. Er hat sich selbst irgendwas Essbares holen wollen. Da wird er jetzt nicht petzen gehen.«
    Dann war Derek also rein zufällig aufgestanden, um sich ein paar Kekse zu besorgen, während wir gerade in Dr. Gills Büro einbrachen? Ich hasste solche Zufälle, aber der Drucker konnte ja wohl nicht laut genug gewesen sein, dass Derek ihn noch ein Stockwerk drüber gehört hatte.
    Ich holte die Papiere heraus und strich sie auf der Matratze glatt.
    »Dereks Material«, flüsterte Rae, während sie die Taschenlampe einschaltete.
    Ich zog das zweite Blatt unter dem ersten hervor und streckte es ihr hin. »Willst du Simons?«
    Sie schüttelte den Kopf. »Das ist die zweite Seite von Dereks Akte. Für Simon war keine da.«
    »Die hast du nicht gefunden?«
    »Nein, ich meine, es war keine da. Auf den Reitern in der Schublade stehen unsere Namen, und die einzelnen Akten sind auch wieder etikettiert. Es gibt keinen Reiter und keine Akte für Simon.«
    »Das ist …«
    »Komisch, ich weiß. Vielleicht haben sie die irgendwo anders. Aber jedenfalls, du hast die von Derek gewollt, also hab ich gedacht, wir verschwenden lieber keine Zeit damit, dass wir nach der von Simon suchen. Okay, sehen wir doch mal nach, warum Frankenstein hier ist.« Sie richtete den Lichtstrahl auf den oberen Teil der Seite. »Derek Souza. Geburtsdatum, bla, bla, bla.«
    Sie ließ das Licht zum nächsten Abschnitt weiterwandern. »Hm. Er ist von einem Jugendamtsmitarbeiter in Lyle House untergebracht worden. Dieser Vater, von dem sie immer reden, wird hier nirgendwo erwähnt. Aber wenn das Jugendamt für die beiden zuständig ist, kannst du wetten, dass er nicht gerade ein Kandidat für den Vater des Jahres ist. Ah, da steht’s ja. Diagnose … antisoziale Persönlichkeitsstörung.« Ein prustendes Lachen. »Ach ja? Und jetzt erzählt mir mal was, das ich noch nicht gewusst habe. Ist das wirklich eine Krankheit? Unfreundlich zu sein? Was verschreiben sie einem denn dagegen?«
    »Ganz gleich, was es ist, es schlägt nicht an.«
    Sie grinste. »Das ist mal sicher. Kein Wunder, dass er schon so lang hier …«
    Das Licht im Flur ging an. Rae machte einen Satz in ihr Bett, wobei sie die Taschenlampe liegen ließ. Ich schaltete sie aus, als ich hörte, wie sich die Badezimmertür schloss. Als ich sie ihr zuwerfen wollte, schüttelte sie den Kopf, beugte sich vor und flüsterte: »Behalt sie und lies weiter. Wenn du was Interessantes findest, erzähl’s mir morgen.«
    Wer das auch war im Bad – Tori

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