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Schattenstunde

Schattenstunde

Titel: Schattenstunde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kelley Armstrong
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neue Kommode.
    Als sie ihren Nintendo DS weglegte, sah ich ihre Finger auf das zerkratzte Plastik trommeln. »Du kennst das vielleicht, wie manche Kinder sind, wenn sie irgendein neues technisches Spielzeug oder so was kriegen? Wochenlang, manchmal sogar monatelang ist es dann das coolste, beste, interessanteste Wasauchimmer, das sie je gehabt haben, und sie hören gar nicht mehr auf, drüber zu reden. Sie haben es immer dabei. Und dann sind sie eines Tages plötzlich high wegen irgendwas Neuem. Nicht, dass mit dem Alten irgendwas nicht stimmte. Es ist einfach nicht mehr neu und cool. Na ja, und so ist meine Mom.« Sie drehte sich um und ging zu ihrem Bett hinüber. »Bloß dass es bei ihr kein technischer Schnickschnack ist. Es sind Kinder.«
    »Oh.«
    »Wenn sie noch klein sind, sind sie einfach umwerfend. Wenn sie älter werden … nicht mehr ganz so.« Rae setzte sich aufs Bett und schüttelte den Kopf. »Yeah, wahrscheinlich bin ich jetzt unfair. Du weißt, wie das ist. Wenn man noch klein ist, ist Mom cool und kann nichts falsch machen, und wenn man dann älter wird …« Sie brach ab und errötete. »Nein, ich nehme mal an, du weißt gerade
nicht
, wie das ist, stimmt’s? Tut mir leid.«
    »Schon okay.« Ich setzte mich ebenfalls auf meine Bettkante.
    »Dein Dad hat nie wieder geheiratet?«
    Ich schüttelte den Kopf.
    »Wer kümmert sich dann um dich?«
    Während wir wieder nach unten ins Klassenzimmer gingen, erzählte ich ihr also von Tante Lauren und der endlosen Reihe von Haushälterinnen, brachte sie zum Lachen, als ich ein paar davon nachahmte, und vergaß alles andere … zumindest für eine Weile.
     
    An diesem Nachmittag lieferte ich in meiner Sitzung mit Dr. Gill eine oscarreife schauspielerische Leistung ab. Ich gab zu, dass ich, wie sie bereits vermutet hatte,
wirklich
geglaubt hatte, Geister zu sehen. Nachdem ich meine Diagnose erfahren hatte und die Medikamente zu wirken begannen, war mir klargeworden, dass ich ganz einfach halluziniert hatte. Ich war schizophren, ich brauchte Hilfe.
    Dr. Gill schluckte alles.
    Jetzt brauchte ich nichts mehr tun, als die Rolle noch etwa eine Woche lang durchzuhalten, und dann würde ich frei sein.
     
    Als der Unterricht zu Ende war, setzten Rae und ich uns zusammen im Medienzimmer an unsere Hausaufgaben. Simon kam ein paarmal draußen im Flur vorbei. Ich hatte den Eindruck, dass er mit mir reden wollte. Aber als ich den Kopf zur Tür hinausstreckte, war er nach oben verschwunden.
    Während ich arbeitete, dachte ich an den Nebelfleck im Garten. Wenn Derek ihn nicht auch gesehen hätte, hätte ich ihn vielleicht für einen Geist gehalten.
    Warum hatte Derek Simon vom Reden abgehalten? Was, wenn Simon meine »Halluzinationen« auf irgendeine Art verursachte? Irgendeine Sorte von Spezialeffekt?
    Ja, klar, und damit wären dann auch die Geister erklärt, die ich in der Schule gesehen hatte – holographische Projektionen, verursacht von einem Typ, dem ich zu diesem Zeitpunkt noch nie begegnet war. Höchstwahrscheinlich.
    Aber irgendwas war hier im Gange.
    Oder zumindest wollte Derek, dass ich das glaubte.
    Indem er sich weigerte, Erklärungen zu liefern, und immer ein Riesending aus seinen Verweigerungen machte, wollte er bei mir genau das erreichen, was ich im Augenblick gerade tat: mich mit Überlegungen darüber halb verrückt machen, was es war, das er mir nicht erzählte. Er wollte, dass ich zu ihm rannte und um Antworten bettelte, damit er mich dann weiter hinhalten und lächerlich machen konnte.
    Es war vollkommen unmöglich, dass Simon oder Derek für die Geister in der Schule verantwortlich gewesen waren, aber dieser Nebel konnte ein ganz einfacher Trick gewesen sein. Vielleicht hatte Derek ihn verursacht. Und deshalb hatte Simon protestiert, und Derek hatte ihn zum Schweigen gebracht.
    Hatte Simon Angst vor seinem Bruder? Er tat so, als verteidigte er ihn, und gab sich, als wären sie die besten Freunde. Aber welche Alternativen hatte er denn schon? Er saß hier fest, zusammen mit Derek, so lange, bis sein Vater zurückkam.
    Aber wo war sein Vater?
    Warum hatte er Simon und Derek unter falschen Namen in der Schule angemeldet?
    Warum war Simon überhaupt hier, wenn er nicht mal eine Akte hatte?
    Zu viele Fragen. Ich würde mich allmählich um Antworten bemühen müssen.
     
    Wir waren gerade dabei, nach dem Mittagessen den Tisch abzuräumen, als Mrs. Talbot mit einem Mann im Esszimmer erschien, den sie uns als Dr. Davidoff vorstellte. Er war der

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