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Schattensturm

Schattensturm

Titel: Schattensturm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Saumweber
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herum die Einheimischen in einer ihnen völlig fremden Sprache schwatzten. Immerhin blieb ihnen nirgendwo Unterkunft oder Verpflegung verwehrt, wenngleich die Preise teurer wurden als vorher auf germanischem Gebiet.
    Auch hier folgten kleinere und größere Städtchen mit Namen wie Lucerna Nova 2 , Castellum Raeticum 3   oder Helvetica Magna. Schließlich erreichten sie den Ort Leuk 4 , wo sich die Routen aufteilten. Der bessere, deutlich häufiger begangene Weg führte von dort aus weiter nach Nordosten und früher oder später nach Trondheim, während der Pfad nach Åndalsnes dem Lågen weiter nach Westen folgte.
    Hier kam der letzte und deutlich spektakulärste Teil der Reise. Das Tal wurde schmaler, die Hügel wurden steiler, felsiger und höher. Mit Anfang November wurde der Regen zu Schnee, zuerst in den höheren Lagen, am vierten oder fünften Tag jedoch auch unten auf dem Pfad. Veronika fürchtete die Kälte, stellte jedoch bald fest, dass der Schnee angenehmer war als der ständige Regen, der sie die Wochen zuvor begleitet hatte. Sie erreichten den höchsten Punkt der Reise, wo sich der Lågen aus dem Lesjaskogsvatnet, einem langen, schmalen und eisigen Gebirgssee, speiste. Hier verließen sie das helvetische Territorium und hörten abends in der Hütte des Grenzwächters zum ersten Mal wieder Norrøn. Von hier an ging es wieder sanft abwärts, der Lågen wurde durch den Rauma ersetzt, an dessen Ufer sie weiter nach Åndalsnes ritten. Die Temperatur stieg langsam wieder, die Schneegrenze ebenfalls, und baldregnete es über ihnen und verwandelte den Pfad in einen Strom aus Matsch und Schlamm. Als sie schließlich den Romsdalsfjord zwischen den Bergen hervorspitzeln sahen, hatte Veronika längst sämtliche Lust verloren, jemals wieder eine Überlandreise zu unternehmen …

MICKEY
     
    Little Italy
, Bergen, Norwegen
    Freitag, 10. September 1999
    Die Innenwelt
     
     
    Das
Little Italy
war ein kleines Kaffee im Zentrum Bergens. Es besaß zwei Stockwerke, war sehr nett und warm eingerichtet und wurde von echten Italienern geführt. Dies hatte vor gut fünfzehn Jahren einmal zu einer Auseinandersetzung von Mickeys Hearts of Pain mit der Mafia geführt, die nach ein paar Schießereien schließlich Bergen den Rücken gekehrt hatte. Seitdem bezog der Clan das Schutzgeld für das Café direkt. Ein weiterer Vorteil davon, der Schutzpatron eines Lokals zu sein, war der, jederzeit einen Tisch erhalten zu können, sonst hätte er keine Chance mit einer so kurzfristigen Reservierung gehabt.
    Er saß mit dem Rücken zur Wand und las die Zeitung, ohne dabei jedoch den Treppenaufgang aus dem Blick zu lassen. Das Rudel war in der Gegend verstreut: Spider saß auf der Straße, Mütze und Schal um das blasse Gesicht geschlungen, und bettelte, Armstrong war gegenüber in einer Kneipe und beobachtete die Straße durch das Fenster, während Colt im Erdgeschoss des
Little Italy
am Tresen stand und heißen Latte macchiato schlürfte. Die Vorsichtsmaßnahmen waren berechtigt. Denn er würde hier niemand anderen treffen als die Queen höchstpersönlich. Er hatte keine Ahnung, weshalb sie den Schutz ihres stillgelegten U-Bahn-Abschnitts verlassen wollte, aber es ging ihn auch nichts an. Sie war die Queen, und ihr Wort war Gesetz, selbst wenn er es nicht verstand.
    Er bemerkte, wie ein südländischer Kellner mit höflichen, aber bestimmten Worten einen weiteren Tisch räumte. Das Pärchen war entrüstet, trollte sich aber schließlich die Treppe hinab, währendder Kellner eine neue Tischdecke auf dem Tisch ausbreitete und eine frische Kerze dazustellte. Kurz darauf nahm daran ein ihm fremder Mann Platz, mit Jeans und T-Shirt und schwarzer Lederjacke. Sein braunes Haar war halblang und zurechtgeföhnt, sein Gesicht frisch rasiert. Mickey konzentrierte sich kurz auf seine Aura und stellte fest, dass der Fremde ein Rattenmensch war.
    Queensguard wahrscheinlich
, beschloss Mickey. Die Leibwache der Queen bekam man praktisch nie in ihrer Menschform zu Gesicht, alle anderen Rattenmenschen des Clans kannte er zumindest vom Sehen her. Er nickte ihm kurz zu, erhielt als Antwort ebenfalls ein Nicken und konzentrierte sich dann weiter auf seine Zeitung.
    Die Queen kam etwa fünf Minuten später die Treppe hoch. Sie trug einen fadenscheinigen grauen Mantel, der im letzten oder vorletzten Jahrzehnt modisch gewesen war, und eine schwarze Wollmütze. Die Nickelbrille auf ihrer Nase war die gleiche wie bei ihrem letzten Treffen. Sie lächelte ihm

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