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Schattensturm

Schattensturm

Titel: Schattensturm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Saumweber
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klar. Aber wo würde sie eine finden, einen heiligen Ort in dieser Gegend, der nicht von den Germanen bewacht wurde? Sie schüttelte missmutig den Kopf. Sie saß gewaltig in der Klemme.
    Mühsam stand sie auf. Um sie herum befand sich braunes Schilf, das sie vor allzu neugierigen Blicken vom Fluss geschützt hatte. Der hatte im Moment Niedrigwasser, so dass dazwischen ein paar Meter braunes Watt zum Vorschein gekommen waren. Möwen staksten in einiger Entfernung im Dreck herum und pickten nach vermutlich allem, was weniger wehrhaft war als Keelin.
    Für einen Moment wunderte sie sich, was passiert wäre, wenn sie von Möwen gefressen worden wäre. War die Regenerationskraft eines Druiden stark genug, um sie aus Möwendreck wieder auferstehen zu lassen? Immerhin zählte wohl weder der Schnabel noch das Verdauungssystem eines Vogels als eine magische Waffe … Sie schüttelte den Kopf. Absurde Gedanken.
    Für einen Moment machte sie Inventur, doch das Ergebnis war geradezu kläglich. Sie hatte keine Schuhe, keinen Umhang, und sogar ihr Wams hatte sie in der Nacht ausgezogen, um besser schwimmen zu können. Ihr blieben nicht mehr als Hemd und Hose. Bis sie an Ersatz herangekommen war, würde sie frieren.
    Dann fiel ihr Brynndrech wieder ein. Sie war gar nicht alleine! Wenn es ihr gelang, ihn zu finden, konnten sie zu zweit nach einer Pforte suchen! Aber wo sollte sie anfangen? Sie seufzte laut. Der Waliser konnte überall sein. Was war, wenn er nicht mehr die Kraft gehabt hatte, alleine zurück an Land zu schwimmen? Keelin wusste, dass ein Druide den Ertrinkungstod regenerieren konnte, aber nur, wenn er aus dem Wasser gezogen wurde. Und wenn es ihn nun bis ins offene Meer trieb?
    Besorgt begann sie, flussabwärts die Elbe entlangzugehen. Es war ein beschwerliches Unterfangen. Zuerst versuchte sie, imSumpfgebiet zu bleiben, um vom Wasser aus nicht sofort gesehen zu werden. Sie arbeitete sich mühsam durch Schilfdickicht, stapfte durch knietiefe Schlammlöcher und watete durch kleine und größere Wasseradern, die sich durch das Marschgelände zogen. Dann und wann scheuchte sie Seevögel auf, die flatternd das Weite suchten und sie mit ihrem plötzlichen Gekrächze genauso sehr erschreckten wie Keelin sie. Einmal sah sie sogar einen Fischotter, der mit einem großen braunen Krebs im Maul in einem Loch vor ihr auftauchte, aber schnell in einem Schilfwald verschwand. Sie schien der einzige Mensch auf Erden zu sein.
    Sie hatte den Gedanken gerade fertiggedacht, als sie bei einem Blick über die Schulter einen Segelmast über das Schilf aufragen sah. Ohne die Takelage, die ihn verspannte, wäre er ihr nicht einmal aufgefallen, doch so ging sie schleunigst in Deckung und wartete ab, bis der ferne Ruderschlag wieder verklungen war. Erst dann wagte sie es weiterzumarschieren.
    Doch sie kam nicht voran, so anstrengend war es, durch das Sumpfgelände zu gehen. Deshalb ging sie schließlich zurück zum Ufer, wo sie neben der Hochwasserlinie im Watt entlangging. Obwohl sie mit jedem Schritt bis zu den Knöcheln im Schlick versank und an den steileren Stellen mehrmals abrutschte, kam sie deutlich besser voran. Deutlich besser erkennbar waren auch die Spuren, die sie hinterließ, doch was konnte sie tun? Immerhin bestand so die Chance, dass Brynndrech darauf stieß und so zu ihr fand.
    Der Tag zog sich in die Länge. Mehrmals kreuzten Altwässer und Seitenarme ihren Weg. Das erste Gewässer umging sie in stundenlangem, mühseligem Marsch. Im Anschluss wurde sie von einem kurzen Regenschauer durchnässt, worauf sie endgültig die Hoffnung aufgab, hier jemals wieder trocken zu werden. Seitdem durchschwamm sie weitere Hindernisse. Sie fröstelte und fror, ihre Füße, die die meiste Zeit über im kalten Schlick steckten, waren bald taub und gefühllos. Über ihr segelten Möwen im Wind, das Schilf rauschte, und Keelins Magen begann zu knurren. Sie fragtesich, wie viel mehr Hunger sie haben musste, bis sie soweit war, eine dieser Möwen zu fangen und roh zu verspeisen. Sie besaß weder Feuerstein noch Stahl, um einen Funken zu schlagen, doch selbst wenn, glaubte sie kaum daran, hier in dieser nasskalten Umgebung ein Feuer entfachen zu können.
    Ein weiteres Mal sah sie ein Langschiff, vor dem sie sich erneut versteckte. Dieses Mal lugte sie zwischen dem Schilf hindurch nach draußen, um einen näheren Blick auf das Boot werfen zu können. Verglichen mit denen, die sie am Damm zur Harburg gesehen hatte, war es ein kleines Schiff. Die

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