Schattensturm
zu und nahm auf dem verbliebenen Stuhl an seinem Tisch Platz.
Mickey beugte seinen Oberkörper so tief, dass seine Nase beinahe die Tischdecke berührte. »Meine Prinzessin«, flüsterte er, sämtliche Schlüsselworte vermeidend. Man wusste nie, wer hier sonst noch mithörte.
»Mickey. Es ist schön, dich zu sehen.«
»Die Ehre ist ganz auf meiner Seite.«
Die Queen kicherte mädchenhaft. »Ich wünschte mir, du könntest dich eines Tages einmal durch meine Augen sehen.«
Mickey wusste nicht, was er darauf erwidern sollte. »Prinzessin, warum treffen wir uns hier?«
»Mein Zuhause ist manchmal so bedrückend … Ich hatte das Gefühl, unbedingt wieder frische Luft riechen zu müssen!«
Ein Schauer lief Mickeys Rücken hinab. Ein Rattenmensch sollte sich unter der Erde nicht bedrückt fühlen, schon gar nicht eine Rattenkönigin. War es die Krankheit, unter der sie vielleicht litt? »Aber Sie sind hier in Gefahr«, erinnerte er sie vorsichtig.
»Welche Gefahren sollten mir schon drohen, wenn nicht nur meine Garde, sondern auch deine Brüder über mich wachen?«
»Übernatürliche«, fasste Mickey sie mit einem Wort zusammen.
»Und welche Übernatürlichen? Lord Rushai hat die Druiden vertrieben –« Mickey zuckte unter der offenen Sprache kurz zusammen, aber sie ließ sich nicht davon aufhalten. »– und von den Renegaten hat Lord Ashkaruna den Anführer. Wie du weißt, verhandelt er im Moment mit ihnen um das Lösegeld. Wer sonst sollte mir drohen?«
»Die Schatten«, gab Mickey ohne Zögern zurück. »Ashkaruna hat Sie bedroht. Erinnern Sie sich an das Gespräch?«
»Natürlich«, erwiderte sie schnippisch. »Aber wie du damals gesagt hast, weiß er ohnehin, wo ich wohne. Also gehe ich hier kein größeres Risiko ein als zu Hause.«
»Warum suchen Sie keinen neuen Unterschlupf? Einen, den Ashkaruna noch nicht kennt?«
Die Queen wurde plötzlich ernst. »Du magst Lord Ashkaruna geringschätzen. Sein Versagen in vielen Bereichen gibt dir guten Grund dazu. Aber vergiss nicht, dass er ein Schattenlord ist, ein Mann, dem sogar Lord Rushai die Treue geschworen hat. Das sollte dir zu denken geben. Er ist ein mächtiger Zauberer, mächtiger als alle, die ich bisher kennengelernt habe. Er hat starke Geister an mich gebunden, die mich nur verlassen, um ihrem Herrn zu melden, wo ich mich aufhalte. Selbst in diesen Minuten sind sie bei mir, alle bis auf einen, der vermutlich just in diesem Moment Lord Ashkaruna von diesem Treffen informiert. Er mag taktisch ein Narr sein und auch von Strategie wenig Ahnung haben, aber begehe nicht den Fehler, ihn zu unterschätzen.«
Mickey verneigte sich erneut, diesmal so tief, dass er seine Nase tatsächlich am Tisch plattdrückte. Die Maßregelung hatte ihn beschämt, selbst wenn sie so freundliche Worte dafür gefunden hatte. »Sie haben wie immer recht, meine Prinzessin.«
»Und lass dieses ›Prinzessin‹-Getue! Wie oft muss ich dir das noch sagen?«
So oft, wie wir uns treffen und uns unterhalten
, antwortete Mickey in Gedanken. Er fand es abstoßend, als gewöhnlicher Rattenmensch seine Queen zu duzen, als ob sie gleichen oder auch nur ähnlichen Rängen angehörten und nicht durch Welten des sozialen Gefüges der Rattenwelt getrennt wären. »Wie Sie wünschen.«
Der Kellner erschien und fragte nach ihren Wünschen. Die Queen bestellte einen großen Eisbecher und einen Cappuccino, während sich Mickey einen Espresso kommen ließ. Unterdessen aktivierte er seine magische Wahrnehmung auf der Suche nach den Geistern, die die Queen erwähnt hatte, konnte jedoch nichts entdecken. Vermutlich waren sie in der Lage, sich irgendwie zu tarnen.
»Du hast einen Bericht für mich?«, erkundigte sich die Queen schließlich, als der Kellner wieder verschwunden war.
Mickey nickte. »Das Ritual wurde erfolgreich durchgeführt. Ur’tolosh ist nun an Lord Ashkaruna gebunden. Es hat den Dämon einen Teil seiner Macht gekostet, aber er ist immer noch stärker als alles, was ich bisher erlebt habe. Er kann beinahe nach Belieben Bohrinseln versenken und Schiffe in die Tiefe reißen. Seine reine Existenz bedroht das Machtgefüge in der Nordsee und dem Nordmeer, sowohl hier als auch in der Innenwelt. Wenn Ashkaruna auf Rushais Ratschläge hört, wie der Dämon strategisch eingesetzt werden kann, wird er nicht aufzuhalten sein.«
»Wird er uns noch brauchen?«, fragte die Queen. Eine tiefe Sorgenfalte war auf ihre Stirn getreten.
»Spione für die Außenwelt wird er auch weiterhin
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