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Schattensturm

Schattensturm

Titel: Schattensturm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Saumweber
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sich anzuziehen und zu rüsten. Einem von ihnen, der besonders jung aussah, befahl sie, mit einem Pferd die Treppe hinabzugehen und dann so schnell wie möglich in die Stadt zu reiten, für den Fall, dass aus irgendeinem Grund die Glocke nicht gehört worden war. Dann legte sie ihre Ausrüstung an – die wattierte Unterkleidung, die sie vor den Druckstellen der Rüstung schützen sollte, dann die Schienen für Beine und Arme, zuletzt Gotasts prächtigen Schuppenpanzer. Sorgfältig verknotete sie jeden Riemen, schloss sie jede Schnalle. Den Helm hängte sie an ihren Gürtel. Zu guter Letzt gürtete sie ihr Schwert fest,
Angurvadel
, das Schwert Frithiofs. Neben Leiffs Schwarzen Pfeilen war diese Klinge die einzige magische Waffe auf der Festung. Nichts anderes war in der Lage, einen Schatten zu töten …
    »Gudrun!«, schrie Gunnars Stimme.
    Veronika eilte nach draußen und sah zum Südwall auf. »Was?«
    »Es wird Zeit!«
    »Ich komme!« Sie eilte zu einer der Leitern und stieg mühsam nach oben. Offenbar hatte ihre Runde um die Festung länger gedauert als gedacht.
Das wäre Stoff für Legenden
, dachte sie zynisch,
wenn ich zu meiner eigenen Belagerung zu spät kommen würde …
    Sie war außer Atem, als sie bei ihm ankam. Vorsichtig lugte sie über die Brustwehr, stellte jedoch schnell fest, dass sie noch nicht aufpassen musste. Die feindlichen Bogenschützen waren erst auf etwa fünfhundert Meter heran.
    »Die Schützen haben Schilde bei sich«, meinte Gunnar.
    »Schilde?« Veronika warf noch einmal einen Blick nach draußen. Er hatte recht. Das bedeutete wohl, dass sie vor und nach ihren Schüssen gedeckt wurden. Sie überlegte kurz, was sie dagegen tun konnte. »Geht«, befahl sie schließlich zwei Männern in ihrer Nähe,»und sagt den Turmkommandanten, dass sie ihre Schützen einzeln schießen lassen sollen, jeder für sich.« Wenn sie nicht in Salven schossen, wurde es für die Schildträger schwieriger, den Moment abzupassen, in dem sie ihre Schützen decken mussten.
    Dann warteten sie, während unter ihnen die feindlichen Reihen näher heranrückten. Veronika widerstand dem Impuls, auf dem Wehrgang auf und ab zu gehen, sondern zwang sich dazu, den Feind genauestens zu beobachten. Vielleicht gelang es ihr so, einen Schatten früher zu erkennen, oder einen subtilen Wechsel ihrer Strategie? Im Moment bedeutete es jedoch nichts anderes als Warten. Angespanntes, herzklopfendes, fingerschweißiges Warten.
    »Dreihundert Meter«, rief einer der Männer hoch oben vom Torturm.
    »Wie viele Pfeile haben wir?«, fragte Veronika zum hundertsten Mal an diesem Tag.
    »Wenn wir von etwas genug haben, dann von Pfeilen«, erwiderte Gunnar geduldig. »Trollstigen war für die Kelten eine Art Waffenmagazin.«
    »Dann schießen wir bei hundertfünfzig.« Nervös griff sie nach dem Heft ihres Schwerts, um es zu lockern.
Angurvadel
war ein magisches Schwert und war noch nie schwerfällig aus der Scheide gekommen, aber das war ihr egal.
Besser einmal zu oft vorsichtig gewesen …
    »Zweihundert Meter!«, rief der Mann vom Turm.
    Inzwischen ließ sich schon deutlich mehr erkennen. Es waren nur Männer, soweit Veronika das von hier oben beurteilen konnte, im Gegensatz zu Espeland, wo die Schatten angeblich auch Frauen und zum Teil sogar Alte und Kinder in die Schlacht getrieben hatten. Es waren hauptsächlich Weiße, kaum Schwarze, und auch das unterschied das Heer von dem von Espeland. Sie fragte sich, ob sie daraus einen wichtigen Hinweis ziehen konnte, schob den Gedanken aber sogleich wieder zur Seite. Darüber konnte sie sich später noch Sorgen machen.
    Im Gegensatz zu den nachfolgenden Truppen waren die Schützenabteilungensehr stark geordnet. Neben jedem Schützen ging ein Schildträger, so dass jeder Bogenschütze seine eigene Deckung hatte. Die Männer trugen hauptsächlich Leder und Wolle, kaum einer von ihnen besaß eine Rüstung und kein Einziger eine aus Stahl.
Das wird ihren Schatten vorbehalten sein
, vermutete Veronika. »Läufer«, rief sie. »Sagt den Männern in den Türmen, sie sollen auf die Schildträger schießen.« Als die Boten davonliefen, rief sie ihnen hinterher: »Und bleibt in Deckung! Wir sind in Reichweite!«
    Sie sah ihnen hinterher und wartete, bis sie Zeit genug gehabt hatten, ihre Befehle an die Turmbesatzungen weiterzugeben. Dann nickte sie Gunnar zu. »Zeit, damit anzufangen.«
    Gunnar hob die Hand. Mit Blicken vergewisserte er sich, dass Kerr und Yngvar auf den Türmen sein Kommando sahen.

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