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Schattensturm

Schattensturm

Titel: Schattensturm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Saumweber
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hätte.
    Und als ob das nicht genug wäre, kamen nun noch die ganzen Kürbisgesichter und Maskenfratzen hinzu. Sie erinnerte sich noch sehr gut daran, was sie heute vor einem Jahr gemacht hatte – sie war vor einer Gruppe Schatten geflohen, die in ihre WG eingebrochen war und ihre Mitbewohnerin Mary getötet hatte. Wie Bluthunde hatten sie sie durch halb Inverness gehetzt, bis Keelin schließlich in irgendeiner Diskothek von den Renegaten »geret tet « worden war. Die Parallelen zu heute waren unverkennbar.
    Die Rattenmenschen warteten in einem Bushäuschen auf sie, wo sie sich auf den Boden sinken ließ, um zu verschnaufen. Ihre Erschöpfung war übermächtig. Sie lauschte in ihren Körper, wo ihr Herz raste und ihr Atem rasselte. Sie hustete und spuckte eine Ladung zähen Schleims zur Seite.
    »Wohin laufen wir eigentlich?«, fragte Colt, der Jüngste und offenbar auch Unerfahrenste unter den Rattenmenschen.
    »Wir laufen nirgendwo
hin
«, betonte Spider, ein hoch aufgeschossener, dürrer Kerl, der seinen Namen wohl wegen seiner langen dünnen Beine und Arme erhalten hatte. »Wir laufen vor etwas
weg

    »Weg von der Elbe«, meinte Mickey.
    »Aber wir sind doch schon mindestens zwei Kilometer weit davon entfernt!«, erwiderte Colt. Keelin musste ihm insgeheim recht geben.
    Ein Schatten huschte kurz über Mickeys Gesicht, doch er behielt sich gut unter Kontrolle. »Wir laufen aus zwei Gründen. Zum einen müssen wir weg von der Elbe und vom Beschwörungskreis. Ich befürchte, dass wir im Moment irgendwo genau dazwischen sind. Zum anderen wollen wir an den Stadtrand. Es mag vielleichtnicht ganz die Ablenkung sein, die wir uns erhofft haben, aber was Ablenkungen angeht, ist es das Beste, was wir kriegen können.«
    Colt nickte. »Verstehe.«
    Mickey ging neben Keelin in die Hocke. »Alles in Ordnung?«
    Keelin atmete tief durch. Dann nickte sie.
    »Gut.« Er reichte ihr die Hand. »Wir müssen nämlich weiter.«
    Sie schaffte es, nicht mehr als ein leises Stöhnen von sich zu geben, als sie der Rattenmensch auf die Beine zog. Dann rannten sie den anderen hinterher hinaus in den Regen.
     
    Als Veronika wieder zu sich kam, lag sie noch immer mit dem Bauch auf dem Tisch. Neben ihr schrie jemand ziemlich erbärmlich. Sie drehte mühsam den Kopf in diese Richtung und sah, dass der »Heiler« im flackernden Schein der Fackeln einen weiteren Krieger zusammenflickte. Sie schloss wieder die Augen. Sie fühlte sich zerschlagen. Es gab keine Stelle in ihrem Körper, die
nicht
wehtat. Jeder Muskel, jede Sehne schien gezerrt oder zumindest entzündet zu sein, selbst dort, wo sie ihren Körper noch nie zuvor gespürt hatte. Sie hatte mittlerweile mehrere Verletzungen, ohne Gotasts Rüstung wäre sie bereits mehrmals gestorben.
    Doch es half alles nichts. Von draußen drangen Schreie und Kampfeslärm in den Wachraum. Mühsam stemmte sie sich in eine sitzende Position, legte die Decke zur Seite und schlüpfte in ihre Hosen, die man ihr wegen der Verletzung ausgezogen hatte. Sie hatte einen langen, unschönen Schnitt unter der rechten Pobacke, aber irgendwie hatte sie das Gefühl, dass das ihr geringstes Problem sein würde. Eilig schnallte sie ihre Beinschienen fest, dann hinkte sie nach draußen. Der Schmerz in ihrem Bein war grauenvoll.
    Ja nicht daran denken, dass diese Nähte jederzeit wieder aufreißen können …
    Am Ostteil des Südwalls kämpften sie immer noch. Über Leitern quollen mehr und mehr Trolle in die Burg, die jedoch in der Mitte des Südwalls geblockt wurden. Die Tür am Glockenturm warverbarrikadiert, so dass die Angreifer auch dort nicht weiterkamen. Deshalb hatten die Trolle eine ihrer Leitern von draußen nach drinnen geholt, über die sie langsam, aber stetig in den Hof kletterten. Dort hatten sich Schildwälle gebildet, die verbissen um die Vorherrschaft kämpften, beleuchtet durch das brennende Dach der Festungsschmiede. Ein Troll-Bogenschütze tauchte auf dem Ostwall auf und zielte auf die Krieger im Schildwall, doch noch bevor er schießen konnte, durchbohrten ihn drei Pfeile.
    Der Wall
, wusste Veronika. Wenn es ihnen nicht gelang den Wall wieder einzunehmen, würde das früher oder später ihr Ende bedeuten. »GUNNAR!«, schrie sie, bevor sie ihn unten im Zentrum des Schildwalls entdeckte.
    Schnell lief sie zurück in den Torturm. »Ich brauche zwei Schützen!«, befahl sie und griff nach einem Speer, der am Eingang an der Wand lehnte. »Schnell!«
    Sie sah niemanden in der Dunkelheit des Turms,

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