Schattensturm
Erfolg zu kommen, und darauf kam es an.
Blass geworden reichte er ihr sein Schwert. »Warum …«, begann sie zu fragen, als sie feststellte, dass es
Angurvadel
war. Er musste es nach ihrer Verwundung an sich genommen haben.
»Ich habe mein eigenes«, erklärte er und legte seine Hand an den Gürtel, wo eine weitere Klinge hing.
Veronika nickte. »Gehen wir?«
»Gehen wir.«
Gemeinsam eilten sie zur Treppe.
»Ich kann nicht mehr«, stöhnte Keelin. Erschöpft blieb sie stehen, beugte sich vor und stützte ihre Arme auf die Oberschenkel, um besser Atem zu holen, doch noch bevor sie sich versah, saß sie plötzlich auf dem Boden, mit einem schummrigen Gefühl im Kopf und saurem Geschmack auf der Zunge. Irritiert zwinkerte sie, um ihre verschwommene Sicht wieder klarzukriegen.
Mickey kam zurückgelaufen, während die anderen in etwas Entfernung warteten. Besonders Spider wirkte verärgert, wie er mit in die Hüfte gestemmten Armen da stand und in ihre Richtung blickte.
»Wir müssen weiter«, murmelte Mickey.
»Ich kann nicht mehr.« Ihre Beine brannten wie Feuer und zitterten wie Espenlaub.
»Du musst«, meinte der Rattenmensch.
Keelin schüttelte den Kopf. »Ich habe früher Fußball gespielt«, meinte sie, »ich weiß, dass man über seinen Schatten springen muss beim Ausdauertraining.« Sie musste husten. »Aber ich weiß auch, dass es irgendwann ein Limit gibt …«
Mickey wandte sich kurz zu seinen Leuten um und deutete mit den Händen ein Signal an. Armstrong und Colt kamen langsam zurück, während der Albino seinen Kopf zum Himmel verdrehte. »Fünf Minuten«, erklärte Mickey. »Danach müssen wir weiter.«
Keelin nickte. Es war mehr, als sie erwartet hatte.
Sie befanden sich immer noch in einem Wohnviertel, mit verrußten Einfamilienhäusern und heruntergekommenen Gärten. Über den von Baumwurzeln zerfurchten und teilweise aufgesprengten Straßen hingen Laternen, die in besseren Zeiten vermutlich sogar einmal geleuchtet hatten. Die Autos am Straßenrand waren im Schnitt mindestens zehn oder fünfzehn Jahre alt. Es herrschte kein Verkehr, doch trotz des Regens waren zahlreiche Jugendliche in Maske und Kostüm unterwegs.
Halloween
, dachte Keelin.
Verfluchtes Halloween …
Sie ließ sich gegen einen Zaunpfosten aus Beton sinken. »Hast du eine Kippe?«
Mickey beobachtete mit misstrauischem Blick eine Gruppe von fünf Teenagern, die zwischen ihnen und seinem Rudel aus einer Querstraße kamen. »Du meinst eine, die nicht durch und durch nass ist?«
Sie rümpfte die Nase. »Scheiße.«
»Glaub mir, ich würde mindestens genauso gerne wie du jetzt eine rauchen …« Seine Stimme verlor sich, als irgendwo in der Ferne etwas zu rauschen begann. Langsam wandte er sich zu ihr. »Hörst du das auch?«
Keelin nickte. »Kommt von Süden.«
Von da, wo wir herkommen, um genau zu sein.
Vom Elbufer.
Es wurde lauter. Die Jugendlichen waren stehengeblieben und sahen etwas verwirrt in ihre Richtung. Keelin rappelte sich mühsam auf. Es hörte sich an wie Meeresrauschen.
Mickeys Kinnlade klappte plötzlich nach unten, seine Augen weiteten sich vor Schreck. »Lauf, Keelin«, murmelte er. »LAAA- AUF !« Er packte Keelins Arm und rannte los, sie völlig rücksichtslos hinter sich herzerrend.
»Was ist –«
»Spar dir deinen Atem!«
Hinter sich hörte sie das Rauschen schnell näher kommen. Etwas krachte, Glas splitterte, dann Donner, sofort verschluckt vom noch immer lauter werdenden Rauschen.
Keelin stolperte, und obwohl Mickey noch immer ihre Hand festhielt, stürzte sie hart. Sie schrie kurz auf und versuchte, sich aufzurappeln, als sie von unsanften Klauenhänden gepackt und in die Luft gehoben wurde. Mickey grunzte kurz, während er sie sich einhändig auf die Schulter lud, dann rannte er weiter. Harte Knochen bohrten sich mit jedem seiner Sprünge in ihren Unterleib und ließen sie vor Schmerzen zusammenzucken, während sie kräftig durchgeschüttelt wurde.
Als sie jedoch ihren Kopf umwandte, waren all diese Sorgen vergessen. Hinter ihnen befand sich eine Wand aus Wasser, halb so hoch wie die Häuser der Wohnsiedlung. Mühelos verschluckte sieZäune und Sträucher, Gartenlauben und Autos, während die Wucht, mit der sie gegen die Gebäude schlug, ausreichte, um viele davon wie Puppenhäuser zu zersplittern und zu zerschlagen. Ganze Bäume wurden ausgerissen und mitgespült, genauso wie ein Gewirr aus Kabeln und Strommasten. Keelin kreischte einen gellenden, schrillen Schrei, während die Welle auf
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