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Schattentänzer

Schattentänzer

Titel: Schattentänzer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexey Pehov
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aufgeregt.
    »Alarm! Wacht auf!«
    Drei Dutzend Soldaten liefen an mir vorbei. Sie trugen Lanzen, Schwerter, Hellebarden und Armbrüste. Die grau-blauen und schwarz-orangenen Farben wiesen sie als Königsgarde und Stadtwache aus. Sobald die Soldaten den Platz abgeriegelt hatten, gingen die Lanzenträger in die Knie, während sich in der zweiten Reihe die Hellebardiere und Armbrustschützen in Stellung brachten. Die erste Salve wurde abgegeben. Danach lud ein Teil der Soldaten die Waffe nach, ein anderer warf die Armbrust zur Seite und griff nach dem Schwert. Da tauchten aus dem Schneegestöber plötzlich Soldaten auf, deren Helme ein rot-grüner Federbusch schmückte. Beim Dunkel! Die Soldaten aus dem Herzogtum des Krebses! Mitten in Awendum! Was war nur geschehen?!
    Der Kampf begann. Die Armbrustschützen feuerten die zweite Salve ab, und einige Feinde fielen. Beide Seiten stürzten sich in ein Handgemenge. Die Rot-Grünen starben durch Lanzen und Hellebarden, aber die Verteidiger Awendums waren in der Unterzahl. Ein Blick genügte, um zu begreifen: Lange würden sich die Soldaten des Königs und die Männer Lontons nicht halten. Eine Minute, vielleicht zwei – aber dann brächen die Krebse zum Platz durch.
    Ich musste mir das Horn schnappen und es in den Turm bringen, solange es nicht zu spät war. Als ich auf den Grauen zurannte, versuchte er gerade, gestützt auf seine Lanze, auf die Beine zu kommen. Obwohl ich so schnell rannte, wie ich konnte, würde ich es nicht schaffen.
    Aus dem Schatten des Turms, der zum Orden gehörte, löste sich nämlich ein Gespenst …? Eine Figur? Eine Silhouette? Ich wusste wohl, dass es ein lebender Mensch war, aber ich erkannte nur einen verschwommenen Fleck. Er glitt durch Feuer und Schnee und erreichte den Grauen vor mir. Trotz seiner Verwundung war der Vampir schnell, unmenschlich schnell. Seine Lanze rauchte und jaulte wie eine versengte Katze, doch der Schemen vermochte auszuweichen, hinter den Vampir zu kommen und ihn anzugreifen.
    Eine purpurrote Kugel zerriss den Grauen in zwei Teile. Der Schemen bückte sich und hob meine Tasche auf.
    Der Wind tobte und trieb mir den Schnee in die Augen. Die Glocken, die Kriegshörner, der Schlachtenlärm – alles war verstummt. Es gab nur noch ihn und mich. Er sah mich flüchtig an, doch mit diesem Blick räumte er jeden Zweifel aus: Der Mörder des Grauen würde einem der Herren den Sieg in diesem Spiel bringen. Ich blinzelte die verfluchten Schneeflocken von den Wimpern. Diese flüchtige Sekunde nutzte der Unbekannte, um zu verschwinden. Nachdem ich all meinen Mut zusammengenommen hatte, trat ich an den Grauen heran, der im Schnee lag. Er lebte noch.
    »Der Spieler des Herrn hat die Seite gewechselt … Ihr hättet … das Horn nicht holen dürfen … jetzt … ist das Gleichgewicht zerstört.«
    Entgeistert sah ich ihn an. Der Spieler diente einem anderen Herrn? Verlor der Schattentänzer, der Siala geschaffen hatte, damit das Spiel? Würde Siala untergehen? Auf einmal erstarrte die Welt. Die Schneeflocken blieben in der Luft hängen, die Feuerzungen auf dem Platz und in den Ruinen der ausgebrannten Häuser erstarrten, die brennenden Pfeile gefroren in der Luft. Es war ein Augenblick, der alles verschlang.
    Nur mein Herz wummerte noch dröhnend!
    Und dann bebte die Welt. Explodierte. Starb.
    Ich – oder ein anderer? – sah, wie die Magie versagte, wie die Ketten, die über Jahrtausende gehalten hatten, barsten, wie die Welt in ihren ursprünglichen Zustand zurücktorkelte, in dem es das noch nicht gegeben hatte, was wir heute Siala nennen.
    Die aufgewühlten Meere zerstörten Länder, Vulkane erwachten, die Sterne fielen vom Himmel und setzten ganze Städte in Brand. Die Tore in andere Welten standen weit offen. Durch sie strömten Dämonen und Ausgeburten, die noch schlimmer waren, nach Siala. Die ganze Welt drehte sich in einem letzten Tanz des Todes, in einem Sturm aufgestörter Schatten der Vergangenheit. Brände, Wahnsinn, Epidemien, Hunger, Kriege und die Wesen des Dunkels vernichteten die Welt und ebneten denjenigen den Weg, die so lange darauf gewartet hatten, dass das Gleichgewicht zerstört werde. Aus den Tiefen Hrad Spines erhoben sich jene, die der Graue die Gefallenen genannt hatte und die ich als Vogelbären bezeichnete. Sie walzten über die Knochen und die Asche der Toten, drängten hinauf und ergossen sich ins Tageslicht.
    Da schrie ich. Schrie, bis ich heiser wurde und die Welt gleich einem Spiegel

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