Schattentänzer
ziehen, als Erster sein Pferd auf die Reihe der Fußsoldaten zuhalten zu lassen. Immer war er ganz vorn mit dabei gewesen, immer hatte er die Speerspitze im Kampf gebildet. Dafür achteten ihn seine Soldaten.
Da ertönten die Hörner schon wieder. Seine Verfolger kamen immer näher. Ihm blieb also nicht mehr viel Zeit – es sei denn, er wollte den Kampf mit dem Rücken gegen irgendeinen Ahornbaum aufnehmen. Alistan hatte sich sein Leben lang nie mit einem Gebet an die Götter gewandt, da er es für ungebührlich erachtete, sie mit Nichtigkeiten zu behelligen. Doch nun flehte er Sagra, die Göttin des Krieges wie des Todes an, ihm einen würdigen Kampfplatz zu schenken, damit sie Freude an ihm hätte, wenn er seinen wichtigsten Kampf ausfocht.
Und Sagra erhörte ihn.
Er ließ die Ahornbäume hinter sich und fand sich in einer tiefen Schlucht wieder, deren Boden unter dichtem Nebel verborgen lag. Über diese Schlucht führte eine Brücke, die ihn an jene im Roten Grenzflecken erinnerte. Auch sie war alt und ausgezeichnet zur Verteidigung geeignet.
Die Steinbrücke war zehn Yard lang und zwei Yard breit. Notfalls konnten sie zwei Männer zugleich überqueren, aber bei einem Angriff sollte ein Soldat allein gehen. Beide Seiten säumte eine mannshohe Mauer. Alle zwei Yard ragten zweimannshohe Säulen auf.
Trotz des Nebels ließ sich die andere Seite der Schlucht hervorragend erkennen. Die Brücke führte zu einer alten, von der Zeit nahezu unberührten Stadt und endete unmittelbar vor ihrem steinernen Tor.
Alistan blieben noch ein paar Minuten, um Atem zu schöpfen. Er würde die Orks auf der Brücke erwarten, wo sie keinen Raum für einen Angriff in breiter Front hatten und Mann gegen Mann gegen ihn antreten mussten.
Nachdem Markhouse ein paar Schritte auf die Brücke gemacht hatte, drehte er sich um. Glo-Glos Gespenster waren verschwunden, der Schamanenzauber verloschen. Sei’s drum. Der Zauber hatte seine Aufgabe erfüllt, und nun war es am Grafen, die seine zu erfüllen.
Einen Augenblick lang bedauerte der Hauptmann der Garde, bloß eine leichte Rüstung zu tragen, keinen schweren Panzer, keinen Helm und auch keinen Schild. Mit ihnen hätte er sich sehr lange halten können. An Waffen führte er nur ein Schwert und einen Dolch bei sich. Ungeachtet des Regens nahm der Graf den Umhang ab. Auch die Scheide legte er beiseite. Er fasste das Schwert mit beiden Händen.
Er war bereit. Nun blieb ihm nichts, als zu warten.
Kurz darauf traten die Orks aus dem Nebelvorhang. Sechs, zehn, fünfzehn, siebzehn Orks. Als sie Alistan Markhouse bemerkten, riss einer von ihnen die geballte Faust hoch. Die Orks verlangsamten den Schritt und spähten misstrauisch in alle Richtungen, als vermuteten sie einen Hinterhalt.
»Wo sind deine Gefährten, Mensch?!«, schrie einer von ihnen.
»Weit weg«, sagte der Graf leise. Trotzdem hörten sie seine Worte.
»Ergib dich, sonst ist dein Tod sicher!«
Mylord Ratte schüttelte kaum merklich den Kopf. Zwei Bogenschützen traten vor.
»Seid ihr so feige?!«, schrie Markhouse nun aus voller Kehle. »Seid ihr am Ende gar keine Orks?! Denn Orks fürchten einen Menschen nicht! Aber ihr?! Fehlt euch tatsächlich der Mut, herzukommen und mit dem Yatagan gegen mich zu kämpfen?! Könnt ihr nichts anderes, als nach der Waffe der Kinder, Feiglinge und Elfen zu greifen?! Ihr seid siebzehn, ich bin allein! Was wollt ihr denn für Erste sein?! Nein, ihr müsst mir erst noch beweisen, dass ihr das Recht habt, euch Orks zu nennen. Aber dafür braucht ihr bloß die Klinge blankzuziehen und die Brücke zu betreten!«
Einer der Orks gebot den Bogenschützen Einhalt und beriet sich mit den anderen Kriegern. Der Graf wartete und betete. Mit einem Mal spürte er einen Blick, der sich ihm in den Rücken bohrte. Er fuhr jäh herum.
Sie stand hinter ihm, in ein schlichtes, ärmelloses Gewand gehüllt. Ihr üppiges weißes Haar wogte über die nackten Schultern. Ein Schädel, der als Halbmaske gearbeitet war, bedeckte ihr Gesicht. In den Händen hielt sie ein Bouquet aus blassen Narzissen. Ihre leeren Augenhöhlen sahen Alistan Markhouse unverwandt an.
»Nein!«, sagte er wütend. »Nicht auf diese Weise! Nicht durch einen Pfeil!«
Sie schwieg.
»Gib mir noch etwas Zeit! Nur ein wenig! Dann werde ich dir folgen! Gib mir noch ein paar Minuten! Dafür werde ich so viele wie möglich mitbringen!«
Eine Sekunde lang kam es ihm so vor, als wollte ihm Sagra die Bitte abschlagen, doch dann wich sie zum Tor
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