Schattentänzer
sich wie eine hungrige Zecke in ihr verfangen.
»A-a-a!«, jaulte er. »Gehörst du zu denen?! Willst auch du meinen Tod?!«
Er stieß mich gegen eine der Säulen. Ich leistete natürlich Widerstand, und so entbrannte ein verzweifelter Kampf.
Dieser übergeschnappte Kerl heulte wie eine ganze Herde toller Dämonen. Als ich es endlich schaffte, ihm meinen Kopf vor die Nase zu knallen, ließ er mich überrascht los. Ich entschlüpfte ihm und stieß ihn von mir weg.
Sagoth weiß, dass ich niemals mit dem gerechnet hätte, was dann geschah. Der Wahnsinnige geriet ins Straucheln, machte ein paar Schritt, schwankte zwischen zwei Säulen, rang um sein Gleichgewicht und stürzte mit einem verzweifelten Schrei in die Tiefe.
Ich hörte den Aufprall.
Beim Dunkel aber auch! Der eine sticht sich mit dem eigenen Messer ab, der andere verliert den Verstand. Was lauerte bloß auf dieser Galerie?
Noch fünf Schritt, und das Murmeln in meinem Kopf schwoll zu einem Triumphchor an, zwang mich auf die Knie und brachte mich dazu, mir die Ohren mit den Händen zuzuhalten. Eine Welle universellen Horrors schwappte über mich hinweg.
Nicht nur Wörter stürzten auf mich ein, nein, auch Bilder, von denen eins grausiger als das nächste war, auch der Geruch verwesender Leichen und der Geschmack von Grabwürmern. Es war, als wühlte ich in den Eingeweiden eines Toten. Stimmen riefen mich zu sich und sangen ein Lied, das mich vor Entsetzen und brennendem Schmerz losheulen ließ. In diesem Lied dürstete alles nach meinem Tod, es befahl mir, ich solle mir mein Messer nehmen und mir die Kehle aufschlitzen. Es zerrte mit geschickten Fingern an meinem Verstand. Mit jedem Wort, mit jedem Akkord strömten neue Qualen in meine Ohren, sprangen mir neue Bilder ins Auge, legte sich mir ein noch schrecklicherer Geschmack auf die Zunge …
Obwohl ich begriff, dass ich zu des Schlummernden Raunens Ruhestatt gelangt war, konnte ich mich nicht gegen die Stimmen wehren. Sie würden mich langsam und unwiderruflich in den Wahnsinn treiben. Schon wollte ich mich von der Galerie in die Tiefe stürzen, schon meinen Kopf gegen die Wand rammen, schon mich erdolchen – wenn nur das endlich aufhörte!
Meine Hand wanderte von selbst zum Messer. Sagoth weiß, ich hatte verbissen gekämpft. Nur war es ein Kampf, der nicht zu gewinnen war. Eher noch würde ich mit einer Gerte einen Steinblock zerschlagen. Die Stimmen verlangten meinen Tod – und ich musste ihnen gehorchen.
Ich helfe dir! , flüsterte Walder. Genau wie damals in der Harganer Heide.
Und dann zogen sich die Stimmen an den äußersten Rand des Hörbaren zurück. Meine Hand fügte sich wieder meinem Willen.
Beeil dich, Garrett! , trieb mich der Erzmagier an. Ich vermag dir nur eine Minute zu verschaffen! Mehr steht mir nicht zu Gebote!
Ich sprang auf und hetzte in jenen Teil der Galerie zurück, in dem die Stimmen keine Macht über mich hatten. Meine Hände zitterten, trotzdem schaffte ich es, geschwind zwei vorab gewickelte Baumwollpfropfen aus der Tasche zu kramen und sie mir in die Ohren zu stopfen. Als das Murmeln anbrandete und ich schon die ersten Worte unterscheiden konnte, fehlten mir noch zehn wertvolle Sekunden, um ein Fläschchen mit einer Flüssigkeit herauszuholen, die jede feindliche Magie für ein paar Minuten neutralisieren würde. Ich entkorkte es mit den Zähnen und goss mir den Inhalt in den Mund. Meine Zunge brannte, der Magen begehrte auf, am liebsten hätte ich alles wieder ausgespien.
Meine Kräfte versiegen! , presste Walder heraus – und die Stimmen kehrten zurück.
Doch jetzt waren es nur Stimmen, die Gemeinheiten raunten. Kein Bild begleitete sie. Die magische Flüssigkeit wirkte. Aber wie lange? Hals über Kopf stürmte ich vorwärts und hoffte inständig, die Galerie hinter mich zu bringen, bevor die Schutzmagie nachließ und die Stimmen wieder Gewalt über mich gewannen.
Töte dich! Geh ins Dunkel! Stirb! Stirb! Stirb! Töte dich! Blut! Töte dich! , fauchten sie in hilfloser Wut. Bleib stehen! Stirb, es ist so einfach!
Ich achtete gar nicht auf das Flüstern, sondern preschte mit zusammengebissenen Zähnen vorwärts. Immer weiter vorwärts. Andauernd begegneten mir Knochen, über die ich springen musste, darunter auch zwei weitere Männer Balistan Pargaides. Aber wo befand sich der Rest der Bande? Warum stieß ich nicht auf ihre Leichen? Ob Lathressa sie vor den Stimmen gerettet hatte?
Die letzten fünf Yard der Galerie durchmaß ich mit drei riesigen
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