Schattentänzer
behagte mir nicht. Überhaupt nicht. Garrett war da wieder einmal in eine höchst miese Sache reingeschlittert. Nun sollte ich schnellstens etwas über diese miese Sache in Erfahrung bringen, damit sie mich am Ende nicht den Kopf kostete. Selbst spärliches Wissen bedeutet ja oft schon den halben Sieg, davon hatte ich mich in Awendum mehr als einmal überzeugen dürfen, wenn ich meine Arbeit verrichtete. Spendier einem Plappermäulchen einen Silberling, und du erhältst einen genauen Plan des Hauses, in dem sogar die Stelle eingezeichnet ist, an der das künftige Opfer das Kästchen mit dem Familienschmuck versteckt hält. Doch ich schweife ab …
Deshalb musterte ich die Toten aufmerksam und beobachtete, wie sich die Blutlache, die sich unter ihren Körpern gebildet hatte, allmählich ausbreitete.
»Was hast du eigentlich erwartet, mein guter, alter Garrett?!«, fluchte ich.
Vor dem Eingang hatte es ja wohl nicht umsonst geheißen, ich solle diejenigen, die die Ruhe der Toten schützen, nicht behelligen. Die Statuen gaben nicht etwa bloß vor, blind zu sein! Sie sahen wirklich nichts! Warum hatte ich da nicht gleich an das Gedicht gedacht?! Eben deshalb schmerzte auch meine Hand, über die ich den Armreif aus rötlichem Kupfer gestreift hatte, den mir Egrassa am Osttor als Schutz gegen diese Totenwächter gegeben hatte!
All diese Gedanken fegten wie ein Sturm durch meinen Kopf. Aber wie nun weiter? Angst lähmte mich. Ich schielte zu den Körpern der Toten hinüber, was jedoch weder meine Kühnheit noch meine Hoffnungen schürte. Endlich fasste ich den Mut, schickte alles und jeden zum Unaussprechlichen, wagte mich weiter vor, ließ die Mitte des Saals hinter mir, ohne noch einmal zu den Toten hinüberzusehen, hechtete zur Seite, als klammheimlich ein Fleck von hinten herankroch, und vollführte einen atemberaubenden Salto, mit dem ich gleich drei Flecken auf einmal entkam, die auf mich zuhielten. Bis zum nächsten Schatten waren es nicht mehr als fünf Schritt, ich plante bereits meinen Weg, als … als ich einen einsamen Lichtfleck übersah und mit dem Rand der Schuhsohle auf ihn trat.
Zu sagen, ich wäre binnen eines einzigen Herzschlages zu einer sicheren Schatteninsel gelangt, hieße, nichts zu sagen. Was zum H’san’kor heißt hier ein Herzschlag?! Ich war fünf-, zehn-, ich war hundertmal schneller!
Meine Armbrust fand sich in meiner Hand, ohne dass ich hätte sagen können, wie sie dort hingelangt war. Der kupferne Armreif fügte mir brennenden Schmerz zu, aber um keinen Preis hätte ich das Amulett der dunklen Elfen abgenommen. Es stellte meine einzige Rettung vor den Hütern der Totenruhe dar. Sämtliche Lichtflecken im Raum kamen nun zum Stillstand. Über dem Fleck, auf den ich versehentlich getreten war, bildete sich erst ein winziger goldener Funke, dann ein Dutzend und schließlich Hunderte. Sie schimmerten in der Luft auf, strahlten kurz in einem blendend goldenen Licht und fingen dann an, im Takt meines Herzens zu pulsen! Irgendwann waren es so viele Funken, dass sie sich zu einer Silhouette formten. Es würde nicht mehr lange dauern, und vor mir stünde ein goldenes Wesen, geschaffen aus Millionen winziger Funken.
Der Kaju.
Der große Mythos der Elfen, das blanke Entsetzen für die Orks.
Vor zweitausend Jahren, als die Elfen in den Beinernen Palästen das Blut der Orks vergossen, geschah damit etwas, das niemals hätte geschehen dürfen. Die Orks rächten sich, indem sie die Gräber der Elfen schändeten. Sie entweihten ausschließlich die Totenstätten der höchsten Familien aus dem Schwarzen Wald, verstreuten ihre Gebeine in den Sälen und überließen sie dem Dunkel zum Fraß. Die Orks spotteten auf diese Weise über das, was jedem Elfen am wichtigsten ist: die Ehre des Hauses und die Erinnerung an die Vorfahren. Daraufhin zogen die Elfen erneut gegen die Orks, stellten an den Gräbern Wachen auf, bauten Fallen und wirkten Zauber. Aber jedem Angriff folgt nun mal ein Gegenangriff, jede Wache wird irgendwann müde, jede Falle kann umgangen, jeder Zauber mit einem anderen Zauber unschädlich gemacht werden. So dauerte die Entweihung der Gräber fort, bis eines der Elfenhäuser beschloss, den Kaju um Hilfe zu bitten. Das, was dann geschah, halten jene Legenden von Orks und Elfen fest, die in besonders schaurigen Nächten erzählt werden. Und seit dieser Zeit wagte kein Ork mehr, die Elfengräber zu schänden.
Nun stand einer dieser unbestechlichen, unbarmherzigen und unbesiegbaren
Weitere Kostenlose Bücher