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Schattentänzer

Schattentänzer

Titel: Schattentänzer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexey Pehov
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hielt ganz gewiss noch weit lieblichere Überraschungen für mich bereit.
    Als mich bei all diesen Überlegungen ein nervöses Zittern packte, beruhigte ich mich damit, dass ich in der sechsten Terrasse ja nur drei läppische Stunden zubringen musste – was rein gar nichts war, verglichen mit der endlosen Zeit, die ich für die vierte Terrasse hatte drangeben müssen. Auch die Tatsache, dass sich Lathressa und ihr Gesindel wesentlich länger in dieser Schicht aufhalten würden, gab mir Hoffnung. Und bei dem Gedanken, meine Feinde könnten auf ein ganzes Regiment Untoter stoßen, wurde mir geradezu warm ums Herz.
    Erneut setzte ich meine Schritte so vorsichtig wie zu Beginn meines Aufenthaltes in Hrad Spine. Jede Minute blieb ich stehen und lauschte auf die peinigende Stille. Nur alle zwanzig, dreißig Schritt knisterten magische Fackeln, die die Finsternis jedoch kaum verscheuchten. Schatten und Dunkelheit gab es genug, ich wusste also, wo ich mich verstecken konnte (worauf ich mich verstand), wo sich aber auch andere verstecken konnten (die sich hoffentlich nicht darauf verstanden).
    Hin und wieder zerriss ein Tropfen, der zu Boden fiel, die Stille. Ich erschauderte dann jedes Mal und griff hastig nach meiner Tasche mit den magischen Utensilien, nur um sogleich zu begreifen, dass mir gar keine Gefahr drohte.
    Und dann noch der Geruch, der in der Luft hing! Er war nicht widerlich, beschwor aber auch nicht gerade Wonnen herauf. Ein Gemenge aus Feuchtigkeit, abgestandenem Schweiß und einem leichten Hauch nach verfaultem Fleisch.
    Auf den ersten merkwürdigen Sarg stieß ich, nachdem ich zum hundertsten Mal nach meiner Tasche mit all dem magischen Kram gegriffen hatte. Er sah aus, als habe irgendein Schlauberger Pulver hineingegeben, die Lunte angezündet und den Deckel draufgelegt. Jedenfalls klaffte in der Steinplatte jetzt ein Loch, das gerade groß genug war, um einen lebenden Mensch aus dem Sarg zu lassen. Oder auch einen toten.
    Ich wich jäh zurück und sah mich um. Anscheinend war die Luft aber rein. Sollte der Tote tatsächlich beschlossen haben, vor dem ewigen Schlaf noch einen Spaziergang zu machen, so wandelte er in sicherer Entfernung.
    Doch je weiter ich ging, desto schlimmer wurde es. Immer häufiger standen unversehrte Särge und durchlöcherte Sarkophage in trauter Eintracht nebeneinander.
    Auf den ersten Dahingeschiedenen traf ich völlig überraschend (wie üblich), denn ich hatte ihn im Halbdunkel des Saales einfach übersehen. Der Tote stellte sich als eine Frau heraus. Sie lag bäuchlings auf dem Boden und trug ein Gewand aus dem vorletzten Jahrhundert, das tadellos erhalten war.
    Die aschgraue Haut, die sich über ihre Hände spannte, zeugte von gerade einsetzender Verwesung, das lange und einst sehr schöne Haar war verfilzt. Die Dame roch überhaupt nicht nach Tod. Der Kleidung nach musste sie vor langer Zeit bestattet worden sein, und im Grunde hätten von ihr nur noch die Gebeine übrig sein dürfen, nicht aber auch das Fleisch, das von der Zeit kaum berührt worden war. Aber solche Späße erlaubte sich der erwachende Kronk-a-Mor eben gern.
    Als sie sich mit ungelenken Bewegungen zu mir umwandte, schaffte ich es kaum, meine Verwunderung zu überwinden. Dann jedoch sprang ich weg, um außer Reichweite ihrer Hände zu sein, zog eine Glasflasche mit Katzensabber aus der Tasche und warf sie der Toten vor die Füße. Schließlich ertragen Zombies bekanntlich weder Sonnenlicht noch Katzenspucke.
    Die röchelnde Tote krachte auf dem Boden zusammen. Die Spucke hatte die Magie des Kronk-a-Mor zerstört, die die lebende Leiche in dieser Welt gehalten hatte. Nun fiel das Fleisch brockenweise von den Knochen ab und zerschmolz, was aussah, als löse sich Zucker in heißem Wasser auf. Es stank bestialisch. Bei dem Anblick und dem Geruch packte mich ein Würgereiz. Ich schützte Nase und Mund mit dem Ärmel meiner Jacke und wandte mich ab. Sobald sich mein Magen beruhigt hatte, wollte ich mir ansehen, was von der Toten übrig geblieben war. Ich fand aber nur noch einzelne Knochenfragmente sowie ein Büschel Haare, die in einer Lache von etwas schwammen, das früher mal ein menschlicher Körper gewesen war.
    Igitt!
    Über den Gestank, der sich in meiner Kleidung festgesetzt hatte, schimpfend, verließ ich den Saal. Gut, meine Sachen konnte ich jetzt nicht auswaschen – dafür tat ich aber endlich etwas, das längst überfällig war: Ich tauschte die gewöhnlichen Bolzen in meiner Armbrust gegen

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