Schattentänzer
sein. Man braucht nur die Seite mit der Person Zauberer zu suchen, wenn man einer werden will.«
Ich dachte darüber nach. Sehr konzentriert. Je mehr ich nachdachte, desto mehr Möglichkeiten fielen mir ein, und desto weniger gefiel mir das Buch. Es war schlimmer als eine dreifache Injektion mit der Beulenpest. »Glaubt Ihr, daß es tatsächlich existiert? Oder ist es nicht doch nur die Ausgeburt eines Spinners?«
»Es existiert jedenfalls etwas, wofür Leute töten. Aber es kann einfach noch nicht vollständig sein.« Das klang wie Pfeifen im Wald. »Sonst wäre es dem Dieb nicht in die Hände gefallen. Aber es ist in jedem Zustand gefährlich. Es muß zerstört werden, Mr. Garrett. Bitte geht sofort zum Toten Mann. Drängt ihn, seine ganze Intelligenz einzusetzen. Meine Leute werden alles tun, was in ihrer Macht steht.«
Tinnies Rolle in der ganzen Schweinerei verblaßte zusehends. Hier stand sehr viel auf dem Spiel. Ich hätte wissen sollen, daß es nicht so einfach werden würde. Mein Leben verläuft nie einfach. »Laßt mich wissen, wenn Ihr etwas herausgefunden habt.«
Gnorst nickte. Er hatte mir mehr Zeit und Informationen gegeben, als er vorgehabt hatte. Jetzt schien er mich dringend loswerden zu wollen. »Wir sollten Abschied nehmen und uns um unsere jeweiligen Aufgaben kümmern.«
»Allerdings. Mein Leben ist ungeheuer kompliziert geworden.« Er machte eine Handbewegung. Der alte Knabe von der Eingangstür tauchte wie aus dem Nichts auf und führte mich denselben Weg zurück, den wir gekommen waren. Jemand war anscheinend vorgegangen und hatte die Zwerge darauf vorbereitet, daß wir kamen. Sie waren alle eifrig bei der Arbeit.
Niemand kann die ganze Zeit so fleißig sein.
13. Kapitel
Ich trat ins Freie und lehnte mich etwa fünf Meter vom Eingang des Zwergenforts an eine Hauswand. Dann überlegte ich, wo ich in diesem Verwirrspiel eigentlich stand. Das Buch der Schatten. Es war wirklich böse. Hatte ich etwa eine moralische Verpflichtung? Gnorst und seine Bande wußten doch, wie man damit umgeht.
Mit jeder Minute, die verstrich, begriff ich die Gefahr besser. Ich war schon von dem Buch fasziniert und wußte dabei nicht einmal, wie es mir nützlich sein könnte. Es war ziemlich einfach nachzuvollziehen, warum Gnorst soviel Angst davor hatte.
Wenn ich weitermachte, würde ich Rückendeckung brauchen. Da draußen gab es einige knallharte Gegenspieler. Ich kannte sie nicht, aber sie wußten, wer ich war. Vielleicht wurde es tatsächlich Zeit, der Freudenhöhle einen Besuch abzustatten und herauszufinden, ob Morpheus etwas auskochte.
Ich machte mich auf den Weg und ließ mir Zeit. Ich versuchte immer noch, aus der ganzen Sache schlau zu werden.
Aber ich kam nie in der Höhle der Freuden an.
Sie waren eine Bande, aber es waren Zwerge, also hatte ich die größere Reichweite. Und dieses eine Mal in meinem jungen Leben war ich klug genug gewesen, nicht nackt auf die Straße zu gehen. Ich verbeulte drei Köpfe und warf einen Zwerg durch ein Fenster. Der Besitzer des Hauses kam fluchend herausgeschossen, schrie herum und trat einen Zwerg, den ich niedergeschlagen hatte. Keiner achtete auf ihn. Dafür waren wir einfach zu beschäftigt.
Ich wollte eigentlich niemanden richtig verletzen, sondern versuchte nur, sie abzuwehren und zu vertreiben. Aber sie wollten sich nicht verscheuchen lassen. Also mußte ich mich wohl nachdrücklicher äußern. Aber ich kam nicht dazu, meinen Totschläger für mich sprechen zu lassen.
Ein Haus fiel mir auf den Kopf. Es mußte ein Haus sein, weil nichts von der Größe eines Zwergs so hart zuschlagen konnte. Es wurde dunkel.
Normalerweise komme ich nur langsam zu mir, wenn man mir eins über die Rübe gegeben hat. Das soll nicht heißen, daß ich viel Erfahrung damit hätte. Diesmal dauerte es aber nicht lange, vielleicht, weil ich aufgeregt war, daß ich noch lebte, wenn ich auch ein bißchen ramponiert war.
Ich wurde bäuchlings über den Boden gezerrt. Pflastersteine glitten Zentimeter an meiner Nase an mir vorbei. Die haarigen Wichte hatten mich in eine nasse Decke gewickelt und verschleppten mich irgendwohin. Im Moment schlichen sie gerade durch eine hohle Gasse. Vielleicht wollten sie ja noch etwas feiern, bevor sie mich mit Felsbrocken an den Knöcheln in den Fluß warfen.
Meine Lage gefiel mir nicht. Logischerweise. Wem würde sie schon gefallen? Aber ich konnte nicht viel dagegen ausrichten. Nicht mal um Hilfe konnte ich rufen. Mein Hals fühlte sich
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