Schattentänzer
»Zwerge! Die an einem Mord beteiligt waren?«
»An einem versuchten Mord, bis jetzt, jedenfalls«, berichtigte ich ihn.
»Seltsam, sehr seltsam.« Aber er entspannte sich sichtlich. Vermutlich war ihm klar, daß seine Leute nicht dafür verantwortlich sein konnten. »Ich verstehe nicht, wie ich Euch helfen könnte.«
»Der Tote Mann hat gehofft, Ihr könntet mich vielleicht auf die Spur dieser Leute bringen. Die Gemeinschaft der Zwerge ist doch sehr eng.«
»Die hier schon. Aber es gibt Zwerge, die nicht zu diesem Unternehmen gehören. Dennoch … Ein solches Verhalten ist unfaßbar. Es erzeugt Vorurteile, und das ist schlecht fürs Geschäft. Ich werde meine Leute fragen. Vielleicht kennt ja jemand diese Zwerge – obwohl ich es nicht hoffe. Ein Zwerg, der Schlechtes tut, ist ein wahrhaft schlechter Zwerg.«
Das klang wie ein Sprichwort. »Danke, daß Ihr Euch soviel Zeit genommen habt«, sagte ich. »Ich habe auch bezweifelt, daß Ihr mir weiterhelfen könntet. Eine Frage noch: Habt Ihr jemals von einem Buch gehört, das ›Buch der Schatten‹ heißt? Oder einem Buch der Träume?«
Er sprang auf, als habe ihn jemand mit einem heißen Schürhaken gestochen, und starrte mich mindestens eine Minute an. Ohne Übertreibung. »Buch der Träume?« quietschte er dann.
»Eine Frau hat mich besucht, bevor ich herkam. Sie sah meiner Freundin sehr ähnlich, die gestern niedergestochen worden ist. Ich nehme an, diese Frau sollte eigentlich das Opfer sein. Sie wollte mich engagieren und hat mir eine lange Geschichte von einer Hexe erzählt, die ›die Schlange‹ genannt wird, und einem Buch der Träume, das ihr gestohlen wurde und sich jetzt angeblich in TunFaire befindet.«
»Entschuldigen Sie mich, Mr. Garrett.« Gnorst schoß davon, raunte dem Wicht, der das Bier gebracht hatte, etwas zu und kam dann wieder zu mir zurück. »Ich habe soeben einige Verabredungen abgesagt, damit wir mehr Zeit haben.«
»Hat es bei Ihnen geklingelt?«
»Das könnt Ihr wohl sagen. Ich nehme an, Ihr seid mit der frühen Zwergengeschichte nicht vertraut.«
»Genauso wenig wie alle anderen. Worum geht es?«
»Ihr habt mich an einen uralten Schrecken erinnert.«
»Vielleicht solltet Ihr es mir lieber erklären.« Bevor mir noch schwindlig wurde.
»Das Buch der Träume, welches öfter ›Buch der Schatten‹ genannt wird, ist berühmt unter den Legenden des Zwergenvolks. Für Euch ist es unvorstellbar alt. Es stammt aus der Zeit, als es noch keine Menschen auf der Erde gab.«
Schon mein gestriges Frühstück ist für mich unvorstellbar alt, aber ich schenkte mir diese spöttische Bemerkung. Ich wollte nicht oberflächlicher wirken, als ich bin.
»Damals, Mr. Garrett, waren die Zwergenzauberer außerordentlich mächtig. Und einige waren auch ziemlich böse. Der mächtigste und böseste unter ihnen war Nooney Krombach, und er schuf das Buch der Schatten.«
Ich schaffte es tatsächlich, eine ernste Miene zu behalten. Nooney Krombach! Ich mußte mir ins Gedächtnis rufen, daß sie unsere Namen vermutlich genauso drollig fanden. »Nooney Krombach?«
»Ja. Er kann natürlich auch nur eine Ausgeburt der Phantasie gewesen sein. Wie so viele Heilige der menschlichen Mythologie. Aber er muß nicht wirklich existiert haben, um unsere Zukunft beeinflußt haben zu können.«
»Ich verstehe.« Das tat ich wirklich. Vor ein paar Monaten hatte ich einen Fall überlebt, in den einige von TunFaires Religionen verwickelt waren. Die Stadt ist mit einem Geschwür von Tausenden von Sekten überzogen.
»Die Legende von Krombach hat Tausende von Möchtegern-Meistern auf der Welt dazu angestachelt, ihr eigenes Buch der Schatten zu schaffen.«
Das war mir eigentlich ziemlich egal, und es erklärte noch nichts. »Was war das für ein Buch?«
»Ein magisches Buch. Einhundert Seiten papierdünn gehämmertes Messing, gebunden in Mammutleder, und auf jeder Seite ein Zauberspruch von ungeheurer Macht. Und jeder Spruch wurde mit der zwergischen Leidenschaft für Perfektion geschaffen und niedergeschrieben.«
Allmählich dämmerte es mir, warum die Leute hinter dem Buch her waren. Aber ich begriff nicht, was sie von mir wollten. Ich habe keine finsteren Geheimnisse in meinem Keller versteckt. Gnorst hielt meine düstere Miene für Verblüffung.
»Diese Zaubersprüche sind etwas sehr Spezielles, Mr. Garrett. Jeder Zauber auf jeder Seite ermöglicht es, wenn er korrekt ausgesprochen wird, eine andere Gestalt und einen anderen Charakter anzunehmen. Mit anderen
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