Schattentänzer
Sie lärmten direkt über unseren Häuptern. Es klang, als benutzten sie unser Dach als Start- und Landebahn. »Die machen sich noch unbeliebt, wenn sie damit nicht aufhören«, sagte ich zu Dean.
Die Rothaarige merkte, daß ihr liebreizendes kleines Mäulchen offenstand und klappte es zu; aber es ging sofort wieder auf. Sie sah aus wie ein Goldfisch, der nach Luft schnappt.
»Volltreffer?« fragte ich sie.
»Woher wußten Sie …?«
Ich hätte gern mit meinen Fähigkeiten als Ermittler geprahlt, aber es war sinnlos, zu übertreiben. »Immer mit der Ruhe. Ich bin kein krankes Genie.« Das befand sich nebenan. »Sie sind bereits die zweite wunderschöne, rothaarige Carla Ramada, die hier heute aufgetaucht ist. Sie wollen, daß ich dieses Buch suche, richtig?«
»Carla Lindo Ramada«, verbesserte sie mich. Offenbar war ihr das wichtig. »Aber … Wie …?«
»Weiß ich nicht.« Es konnte kein Zweifel daran bestehen, daß es nicht die Rothaarige von vorhin war. Und auch nicht die Nackte. Ich weiß nicht genau, was es ausmachte. Irgendwas Subtiles. Daß es sich bei ihr um die echte Carla Lindo Ramada handelte, stand für mich zweifelsfrei fest. Irgendwie stand ihr der Name gut.
Ihr Gesichtsausdruck durchlief alle Gefühlsstadien, und jedes einzelne sah entzückend aus. Ich überlegte, daß ich sie aus der Stadt schaffen mußte, bevor sie einen Aufstand produzierte, weil es nur zwei oder drei Frauen ihrer Klasse gab. Erst dann fiel mir die Frage ein, wie es kam, daß drei fast gleich aussehende Frauen aufgetaucht waren. Gab es vielleicht sogar vier bis fünf? Möglicherweise lief ja sogar eine ganze Legion von ihnen herum. Wuchsen vielleicht Rothaarige in Hamadan auf den Bäumen? Dann würde ich den Beruf wechseln und Waldarbeiter werden.
Mittlerweile hatte sich ihre Miene auf einen Ausdruck eingepegelt. Den der Angst. »Das muß sie gewesen sein! Sie muß eine Seite in ihrem Buch haben, die ich bin.«
»Was?« Allmählich dämmerte es mir. »Das Opfer der ganzen Nummer ist hierhergekommen und hat sich als Sie verkleidet?« Hm. Und sie war auch noch meine Klientin. Mehr oder weniger. »Aber wie hat sie das gemacht, wenn sie das Buch nicht mehr hat?«
Sie fragte mich nicht, woher ich wußte, was das Buch vermochte, sondern dachte über meine Frage nach. »Vielleicht hatte sie Skizzenblätter mitgebracht. Aber Sie haben sie doch nicht wirklich für mich gehalten, oder?«
So naiv war sie anscheinend doch nicht.
Und sie hatte recht. Nachdem ich sie jetzt gesehen hatte, konnte ich sie wirklich nicht mehr verwechseln. Ich dachte an meine erste Besucherin. Aber es gelang mir nicht, sie mir genau vorzustellen. Das war merkwürdig. Der Tote Mann hatte mich gelehrt, auf Einzelheiten zu achten und sie zu behalten. Aber statt einer deutlichen, frischen Erinnerung fand ich nur schemenhafte Fetzen.
»Dean, koch uns eine Kanne Tee. Ich habe das Gefühl, es wird eine lange Nacht.« Außerdem: Wer konnte bei dem Lärm da draußen an Schlaf denken? Langsam hoffte ich, daß sich die morCartha gegenseitig auffraßen. »Wir sollten uns vielleicht erholen, bevor wir anfangen.«
Dean warf mir einen Blick zu, als überlegte er, ob etwas so Süßes bei mir sicher wäre, während er kurz in die Küche ging. Schließlich fand er, ich könnte vermutlich eine kurze Weile an mich halten, und stakste hinaus. »Dean ist wirklich süß«, erklärte Carla Lindo Ramada, nachdem er gegangen war.
»Ja. Manchmal haben wir Schwierigkeiten, die Bienen von ihm fernzuhalten. Normalerweise benutzen wir ihn als Köder für unsere Fliegenfallen. Außerdem zieht er wie magisch Mädchen an, die Probleme haben.« Ich dagegen überhaupt nicht. O nein, Garrett doch nicht. Der ist so hart wie Eisennägel. »Wieso verstecken Sie sich hier?«
»Als ich in TunFaire angekommen bin, habe ich bei Bekannten des Barons übernachtet. In der Oberstadt. Dort habe ich jeden gefragt, wer mir helfen könnte. Und alle haben Sie empfohlen.«
Autsch! Ich hätte nicht gedacht, daß mein Name in der Oberstadt so hoch im Kurs stand. Das konnte Ärger bedeuten.
»Man sagt, daß Sie ehrlich, aber stur sind und Ihre Aufträge so erledigen, wie Sie das für richtig halten. Und Sie haben den Ruf, ein Schürzenjäger zu sein.« Ihre Augen funkelten. Sie war absolut nicht so naiv, wie sie aussah.
»Ich? Da müssen Ihre Leute jemand anderen meinen. Ich bin der reinste Engel. So rein wie alter Schneematsch.«
»Aber vielleicht sind Sie ein bißchen schlapp, geistig und
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