Schattentänzer
vielen Herumgerenne weh taten? Das ist alles keine Entschuldigung. Ich hatte auf Verzweiflung geschaltet, ein Zustand, in dem man weiterkämpft, obwohl man weiß, daß es die Sache nicht wert ist. Aber man kann einfach nicht aufhören.
Dean interessiert sich nicht besonders für Tatsachen. Im Innersten ist er immer noch fünfzehn Jahre alt. Er hat nie aufgehört, an die Magie zu glauben, die Kinder in sich haben, bis die Realität sie zerstört. Er warf mir noch einen dieser finsteren Blicke zu. Anscheinend war er richtig in Fahrt. »Geben Sie mir noch zwei Minuten.«
»Ich erstatte solange Bericht.« Ich ging zum Toten Mann und berichtete ihm von meiner Exkursion in die Welt da draußen, aus der Deans Magie schon lange verschwunden war.
Er verzichtete auf einen direkten Kommentar. Geh zu dem Mädchen. Er kicherte. Du wirst überrascht sein.
Der Tote Mann sammelte Punkte. Ich war überrascht.
Sie war großartig. Knackig. Natürlich beschlich mich sofort ein bestimmter Verdacht. Ich hatte sie hereingetragen, und es war mir nichts verdächtig vorgekommen, als ich sie berührte. Aber da war es auch noch nicht hell genug gewesen, um diese Mähne von rotem Haar sehen zu können.
Bingo. Sie war die Doppelgängerin von dem Mädchen, das mir die Geschichte von Baron Steinziffer erzählt hatte, die wiederum eine Doppelgängerin der nackten Frau gewesen war. Doch die hier unterschied sich von den beiden vorigen durch ein winziges Detail: Sie strahlte Unschuld aus. »Es regnet Rothaarige, Dean.«
Er knurrte, als kümmere es ihn nicht.
Sie hatte sich aufgesetzt und war nicht mehr grün um die Nase. Sie sah mich an. Grüne Augen. Schon wieder. Lippen, von denen ich nur träumen konnte. Und Sommersprossen.
Kusch, Junge!
Ich glotzte sie an. Dean warf mir einen bösen Blick zu. »Wir brauchen einen Namen für diesen Fall. Vielleicht sollten wir ihn ›Viel zu viele Rothaarige‹ nennen.«
»Mr. Garrett?« Wow! Diese Stimme! Sie klang wie die der letzten Rothaarigen, nur daß hier Glocken und Versprechungen mitklangen … oder was einem sonst dabei einfällt.
»Richtig, ich bin Garrett. Der wilde Drachentöter und trottelige Tolpatsch, der immer auf Dämchen in Dilemmata stolpert. Und das nur, wenn ich einen wirklich guten Tag habe.«
Damit konnte sie nichts anfangen.
»Entschuldigen Sie. Ich hatte heute einen harten Tag und bin ziemlich gereizt. Ich verspreche, Sie nicht mehr flachzulegen, wenn Sie versprechen, sich nicht mehr im Dunkeln an mich ranzuschleichen.« Jedenfalls nicht auf der Straße. Wir könnten den Toten Mann schlafen legen und Dean nach Hause schicken. Danach durfte sie mich durchs ganze Haus jagen, wenn sie wollte. Ich würde mir nicht allzuviel Mühe geben, zu entkommen. Selbstverständlich alles im Interesse der Wissenschaft. Zum Beispiel, um herauszufinden, wie sehr sie meiner nackten Besucherin glich.
Sie lächelte, die Sommersprossen auf ihrer Nase tanzten. Das versüßte mir fast den Tag.
Fast.
»Dean hat es mir erklärt«, sagte sie. Merkwürdig, wie er es immer schaffte, so schnell auf die Vornamenebene zu kommen. »Ich sollte mich entschuldigen. Es war nicht sehr schlau von mir. Aber ich kenne die Großstadt nicht.« Sie stand auf, und mir traten fast die Augen aus den Höhlen. Ihre Bewegungen waren schlicht und natürlich, und ich mußte die Lippen fest zusammenpressen, um nicht zu sabbern. Sie war einfach eine geborene Sexbombe. Wo auch immer sie herkommen mochte … Sie war die Perle vor den Säuen. Immerhin waren sie dort dumm genug, sie gehen zu lassen. Schickt ruhig mehr von ihrer Sorte nach TunFaire. Das lenkt uns von Armut, Krieg und Verzweiflung ab. Laßt uns statt dessen von Brot und Spielen reden. Dieses Mädchen hätte ohne weiteres selbst das kolossalste Kolosseum gefüllt.
Sie streckte ihre Hand aus, die nicht einmal halb so groß war wie meine. Ich nahm sie. Das Gefühl von Wärme und Leben traf mich wie ein Schock und erinnerte mich daran, daß Tinnie fast gestorben wäre. Dieser Gedanke holte mich auf den Boden der Tatsachen zurück. »Ich bin Carla Lindo Ramada, Mr. Garrett. Ich komme aus …«
Ach du liebe Zeit! »Moment. Lassen Sie mich raten. Sie kommen von der Burg Lord Baron Steinziffers von den Ha-madan-Bergen. Dort sind Sie Zimmermädchen. Der Baron hat Sie einem Kerl namens Holme Blaine hinterhergeschickt, der einer Hexe namens ›Die Schlange‹ ihren Lesestoff geklaut hat.«
Ihr klappte die Kinnlade runter.
Draußen versammelten sich noch mehr morCartha.
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