Schattentänzer
seltsam.«
»Ja«, pflichtete Beutler ihm bei. »Sie müssen Spuren hinterlassen. Sie müssen sich irgendwo aufhalten.«
Das stimmte. Eigenartig. Plötzlich kam mir eine Idee. Wo konnten sie sich aufhalten, ohne die Aufmerksamkeit von Kains Leuten oder deren Handlangern zu erregen? Es gab nicht viele Orte.
Ich blieb an der demolierten Tür stehen. »Jemand ist hier wohl mit der Tür ins Haus gefallen.«
»Allerdings«, stimmte mir Beutler zu. »Hoffe nur, daß ich niemals mit ihm Armdrücken muß.«
Ich betrachtete noch einmal jedes noch so kleine Detail, suchte nach einem Wollfaden eines Pullovers, dessen Wolle nur auf einer kleinen Insel vor der Küste von Gretch hergestellt wurde, oder so was in der Art. Man spult eben seine Routine herunter, selbst wenn man es für sinnlos hält. Das ist eine Frage der Disziplin. Manchmal zahlt sie sich aus, also versucht man es immer. Als ich absolut nichts fand, war ich nicht enttäuscht. Meine Erwartungen hatten sich nur bestätigt. Hätte ich etwas gefunden, wäre ich vor Freude in die Luft gesprungen. Es hätte selbst meine kühnsten Phantasien übertroffen.
»Nicht so hastig, Garrett«, sagte Sattler. »Du wolltest uns noch was erzählen.«
»Ja.« Ich schwankte. Jede Information, die man weitergibt, schwächt die eigene Position.
»Also?«
»Findet was über eine andere Person raus, die in dieser ganzen Sache drinsteckt. Sie heißt ›die Schlange‹. Sie ist diejenige, der dieser Bursche hier angeblich ein Buch gestohlen hat.« Blaine veränderte sich schneller, vielleicht weil er immer kälter wurde.
»Also?«
Sattler sollte sich mit Paddel zu einem Redewettstreit zusammentun. Würde sicher eine prickelnde Angelegenheit. »Die Schlange ist eine Hexe. Sie arbeitet mit Zwergen zusammen.« Ich zäumte das Pferd von hinten auf. Sie wußten zwar schon einiges, aber mir war nicht klar, wieviel. Ich sagte ihnen alles, was sie meiner Meinung nach wissen sollten, und klammerte dabei vollkommen aus, warum dieses Buch so wichtig sein sollte.
»Eine Hexe, ja?« Beutler beäugte Blaine. Das war für ihn der springende Punkt.
»Eine Tätowierung?« fragte Sattler und hob eine Braue. »Muß ja ein toller Anblick sein.«
Allerdings, aber mich überraschte, daß er es auch so sah. Er hatte bisher nie viel Interesse an solchen Dingen gezeigt. »Glaubst du, daß sie Wiesel erledigt hat?«
»Wenn sie es nicht selbst war, dann weiß ich zumindest, wer es getan hat.«
»Wir werden sie finden. Wir hören uns um.«
»Seid vorsichtig.«
Er sah mich nur an. Anscheinend fragte er sich, ob ich noch bei Verstand war. Er war vorsichtig. Immerhin hatte er seine fünf Jahre im Cantard überstanden und in seinem Beruf lange genug überlebt, um bis ganz an die Spitze zu kommen. Vorsicht war sein zweiter Vorname; er stand zwischen Böse und Tödlich.
Schließlich warf ich Holme Blaine einen letzten Blick zu. Er war nicht vorsichtig genug gewesen. Und er konnte mir auch nichts mehr erzählen. Ich hatte ihm genauso wenig zu sagen.
Meine Pflicht hatte ich erfüllt. Jetzt wurde es Zeit, daß ich meine müden Knochen zur Ruhe bettete. Wenn die morCartha ein wenig Mitleid zeigten, würde ich vielleicht sogar ein bißchen Schlaf finden.
20. Kapitel
Morpheus’ Kneipe war nicht weit entfernt. Ich ignorierte meine Müdigkeit, den Lärm über mir und die Gefahren, die auf den nächtlichen Straßen lauerten, und machte mich auf den Weg in die Höhle der Freuden.
Die Rattenmänner gingen ihren Geschäften nach. Waren sie bei der Stadt angestellt, räumten sie auf, waren sie freiberuflich tätig, klauten sie alles, was nicht niet- und nagelfest war. Es waren mehr Kobolde und alles mögliche andere unterwegs, als ich normalerweise zu sehen bekam. Vermutlich litten auch die Nachtwesen unter dem Wetter.
Noch immer hatte ich das Gefühl, beobachtet zu werden. Und ich konnte immer noch keinen Verfolger erspähen. Allerdings bemühte ich mich auch nicht sonderlich.
Morpheus’ Kneipe war die reinste Gruft. Nur ein paar Leute vom Oberboß hingen hier herum. Selbst Paddel war weg, nach Hause gegangen. Das gab mir Muße zum Nachdenken. Ich denke nicht oft über Kerle wie Paddel, Beutler oder Sattler nach. Nach Hause. Vielleicht hatte der Kerl ja sogar eine Familie, Frau, Kinder, Pudel und wer weiß was sonst noch. Ich hatte niemals auch nur einen Gedanken darüber verschwendet. Er war nichts weiter als ein Schläger gewesen.
Nicht, daß ich jetzt gleich von ihm nach Hause zum Abendessen
Weitere Kostenlose Bücher