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Schattentänzer

Schattentänzer

Titel: Schattentänzer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Glen Cook
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sich mit mir anzulegen, sondern wollte nur wissen, was mich umtrieb. Solange ich mich bewegte, konnte er dem, der ihn mir auf den Hals gehetzt hatte, keinen Bericht erstatten.
    Ich war müde, deprimiert und hatte die Nase voll. Vielleicht war ich sogar ein bißchen gereizt. Das passiert mir, wenn die Dinge längere Zeit nicht nach meiner Mütze laufen. Manche nennen es verwöhnt.
    Ich war in der Nähe des Aderlaß-Spitals, einer Stiftung überlebender Mitglieder der alten, kaiserlichen Familie, als ich spürte, wie sich die Atmosphäre änderte. Es war nichts Offensichtliches, nur eine Nuance. Ich hätte es nicht einmal genau benennen können. Mein Schatten war immer noch da. Die morCartha machten nicht viel Lärm. Über uns kreisten immer noch fliegende Donnerechsen und jagten Fledermäuse. Die Straßen blieben menschenleer. Ob die Nachtschwärmer Urlaub hatten?
    Ich blieb stehen und dachte über das Aderlaß-Spital nach. Es war ein Monument des guten Willens, das zu einem Symbol der Verzweiflung geworden war. Ein Ort der Angst, in dem die Armen verreckten und die Verrückten sich in überfüllten, geschlossenen Stationen die Seele aus dem Leib brüllten. Die kaiserliche Familie tat, was sie konnte, aber selbst ihr Bestes war nicht genug. Ihr Geld und ihre persönliche Arbeit konnten kaum den völligen Verfall des Spitals verhindern. Es war groß, grau und häßlich. In seiner Blütezeit, vor etwa zweihundert Jahren, mochte es einmal beeindruckend gewesen sein. Jetzt war es nur ein weiteres schäbiges altes Gebäude, größer zwar als tausend andere in TunFaire, aber keinen Deut besser.
    Ich schüttelte den Kopf und schrak bei diesem Gedanken zusammen. Seit Jahren hatte ich kein neues Haus in unserer Stadt gesehen. Hatte der Krieg tatsächlich unsere Ressourcen derartig aufgezehrt?
    Der Krieg war das wichtigste Ding in unserem Leben, ganz gleich, ob wir direkt beteiligt waren oder nicht. Mit jeder Minute, die verstrich, formte er unsere Persönlichkeiten und schmiedete unsere Zukunft.
    Was im Cantard passierte, so heroisch der Tote Mann das auch von hier aus finden mochte, hatte einen verheerenden Effekt auf das Leben von uns allen.
    Es erschreckte mich. Mir gefällt der Stand der Dinge nicht besonders, aber die einzigen Veränderungen, die ich mir vorstellen kann, sind die zum Schlechteren. Je größer die Veränderung ist, desto schlimmer.
    Ein leises Geräusch drang bis zu mir, und ich sah aus den Augenwinkeln eine kaum wahrnehmbare Bewegung. Ich war einen Schritt zu weit entfernt. Meine Reaktion war vielleicht heftiger als nötig. Ich trat wild aus, stieß mit dem Fuß nach unten und ließ das Messer durch die Luft sausen.
    Beutler rettete die Tatsache das Leben, daß meine Fußspitze sein Schienbein leicht berührt und ihn zurückgestoßen hatte. Gleichzeitig hatte er sich selbst zurückgeworfen. Jetzt saß er auf dem Hintern und sah mich verdutzt an.
    »Sag mal …«, meinte er. »Was ist denn in dich gefahren?«
    Ich stand so unter Adrenalin, daß ich zu zittern begann. Die Sache hatte ich gründlich versaut. Ich holte mehrmals tief Luft, um mich zu beruhigen, steckte das Messer weg und reichte ihm die Hand. »Tut mir leid. Du hast mich höllisch erschreckt.«
    »Ja? Na ja, du hast nichts gemerkt …« Ich zog die Hand weg, als er seine Linke ausstreckte. Mir gefiel der Blick in seinen Augen nicht.
    Langsam stand er auf, wobei er sich nur auf den linken Arm stützte. Sein rechter Arm war bandagiert und gegen seinen Bauch gebunden. »Was ist dir denn passiert?« Es war bei dem dämmrigen Licht schwer zu sagen, aber seine Miene wirkte auch ein bißchen gräulich. Er sah weniger furchteinflößend aus als sonst.
    Beutler rieb sich den Hintern. Heh, er war verlegen! Vielleicht lag es ja an dem Licht, das aus dem Aderlaß-Spital auf ihn fiel … Er antwortete nicht.
    Ich zog selbst einen Schluß. Er war der Kerl, dem Winger einen Korb gegeben hatte, als ich mit Sattler in der Gasse plauderte. Es gab zwar keinen Beweis dafür, und er würde es mir nie verraten, aber ich hätte Geld darauf gesetzt. Jedenfalls ein oder zwei Kupferstücke. Ich grinste. »Du solltest dich nicht so anschleichen.«
    »Hab ich auch nicht. Ich bin direkt auf dich zugegangen, Garrett.«
    Ich widersprach nicht. Das unterläßt man bei Beutler oder Sattler tunlichst. »Was machst du hier?«
    »Ich such dich. Dein Haushälter hat gesagt, daß du zum Fort Winzig unterwegs bist. Ich hab den Weg genommen, weil ich mir ausgerechnet habe, daß du

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