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Schattentag: Kriminalroman (German Edition)

Schattentag: Kriminalroman (German Edition)

Titel: Schattentag: Kriminalroman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Costin Wagner
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öffne, den flachen Abhang hinuntergehe, bis ich im Zentrum des Gartens stehe. Ich wende den Blick nach links in Richtung des Ahornbaumes und sehe unter dem Baum die leblosen Körper von Sandra und Olli liegen. Ich wende mich ab und gehe wieder auf das Haus zu. Vera, Klarissa und mein Kompagnon sitzen hinter den Scheiben im Licht. Ich stelle mir vor, dass mir kalt ist. Das Leben steht still.
    Klarissas Stimme löst das Bild auf, sie sagt, man solle vielleicht mal nach den Kindern sehen, und Vera sieht mir tief in die Augen und fragt: »Was ist mit dir?«
    »Hm?«
    »Was ist mit dir? Du siehst so …« Weiter kommt sie nicht, denn die anderen beginnen zu lachen, und Vera stimmt ein und sagt: »Du siehst so … Wie soll ich sagen …?«
    »Was?«
    »Du siehst so …«
    »… so unglaublich dämlich aus«, vervollständigt mein Kompagnon und klopft sich auf die Schenkel. Er kramt ein Taschentuch aus seiner Jackentasche, wischt sich die Tränen aus den Augen, reicht eines seiner Frau, die gackert wie ein Huhn.
    »Was soll das?«, sage ich.
    »Entschuldige …«, sagt Vera. »Du hast einfach … Du hattest einfach komisch geguckt …«
    »Aha.«
    »Mehr als komisch«, meint mein Kompagnon.
    »Woran, hi, hi, hast du gedacht?«, gluckst Klarissa.
    »Du hast recht«, sage ich.
    »Wie bitte?«
    »Wir sollten nach den Kindern sehen. Ich mache das.« Ich stehe auf und öffne die Tür zur Terrasse.
    »Sandra?! Oliver?!«
    Sie antworten nicht.
    »Sind wohl ums Haus rumgelaufen, ich schau mal nach«, sage ich und trete ins Dunkel.
    Ich laufe mit gleichmäßigen Schritten auf dem feuchten Rasen. Ich spüre die Blätter unter meinen Füßen.
    Die Kinder sitzen vorne auf der Treppe. Ich höre schon ihre Stimmen, ich verlangsame meine Schritte, weil ich höre, wie Sandra etwas Überraschendes sagt, nämlich: »Papa ist genial.«
    »Da seid ihr ja«, sage ich. »Ihr holt euch den Tod hier draußen. Lasst uns reingehen.«
    »Gleich, Papa.«
    »Es gibt Eiscreme, glaube ich.«
    »Das ist was anderes«, sagt Sandra und steht schon.
    »Sandra kann super Fußball spielen«, sagt Olli. »Sie sagt, das hätte sie von Ihnen.«
    »Hm.«
    »Du bist ja besoffen, Papa«, sagt Sandra.
    »Quatsch.«
    »Na klar.«
    »Rein mit euch! Eis essen!«
    Dann sitzen wir alle im Wohnzimmer am Tisch und essen Eis. Veras Himbeerbecher mit Vanilleeis, Sahne und Himbeeren.
    »Papa ist ja besoffen«, ruft Sandra.
    Später ist es draußen ganz dunkel, mein Kompagnon und Klarissa verabschieden sich. Olli bleibt, er darf bei Sandra übernachten.
    Vera geht nach oben, um das Bett für Olli herzurichten.
    Ich sitze im Wohnzimmer und lasse den Fernseher laufen. In einer Seifenoper wird ein Kind geboren. Der Vater freut sich.
    Sandra und Olli stehen plötzlich neben mir, Sandra in einem knallroten Nachthemd, Olli in einem dunkelblauen Schlafanzug, der so neu aussieht, als hätte Klarissa ihn für diese Übernachtung gekauft.
    »Was guckst du denn da?«, fragt Sandra.
    »Weiß nicht. Kennst du das?«
    »Ja, klar. Der Typ da ist gar nicht der Vater«, sagt sie, und ich betrachte den glücklichen, gut aussehenden Mann, der einen Säugling in den Armen wiegt.
    »Oh«, sage ich.
    »In Wirklichkeit ist sein Vater der Vater.«
    »Hm …«, sage ich.
    »Der Vater von dem da ist in Wirklichkeit der Vater von dem Kind.«
    »Mhm.«
    »Verstehst du?«
    »Ja, ja.« Ich drücke den Knopf zum Ausschalten. »Ab ins Bett mit euch!« Ich stehe auf und treibe die beiden vor mir her, sie lachen, und wir stoßen fast mit Vera zusammen, die aus Sandras Schlafzimmer kommt. Sandra schiebt Vera beiseite, hüpft in ihr Bett, und Olli betastet verlegen das frische, saubere Bettlaken auf dem alten, klapprigen Bett, das Vera ihm bereitgestellt hat.
    »Wir wünschen angenehme Nachtruhe«, sagt Vera.
    »Schlaft gut«, sage ich.
    Dann wenden wir uns ab, und das Letzte, was ich sehe, bevor Vera die Tür schließt, ist ein Blick von Olli, den ich nicht lesen kann, weil zu viel in ihm verborgen liegt. Auf jeden Fall ist Olli glücklich. Er steht noch immer vor dem Bett, eine Hand auf dem weißen Laken, die andere wackelt unbeholfen, als wolle er uns nachwinken.
    Ich spüre, dass ich ihm in dem Moment, in dem unsere Augen sich treffen, ein wenig von seinem Glück nehme. Aber dann hat Vera die Tür geschlossen, und ich hoffe, dass Olli den Augenblick gleich vergessen haben wird.
    Später fragt mich Vera, was ich eigentlich gemeint habe.
    »Hm?«
    »Was hast du vorhin gemeint? Die Welt ist in

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