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Schattentag: Kriminalroman (German Edition)

Schattentag: Kriminalroman (German Edition)

Titel: Schattentag: Kriminalroman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Costin Wagner
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Ordnung?«
    »Keine Ahnung.«
    »Komm schon. Was soll das heißen, die Welt ist in Ordnung?«
    »Ist sie das nicht?«
    »Sie ist.«
    »Na bitte.«
    »Du bist manchmal komisch«, sagt Vera und versucht, in meine Augen zu tauchen.
    Dann wendet sie sich ab, löscht das Licht und legt sich neben mich. Eine Weile vergeht. Ich drehe mich auf die Seite und denke über die Angst nach, die ich hatte, plötzlich, vorhin, beim Essen. Sandras Tod. Ich versuche, mir einen Tag vorzustellen, an dem Sandra ums Leben kommt. Oder Vera. Der Gedanke bleibt leer und fern.
    Irgendwann konzentriere ich mich nur noch darauf, leise und regelmäßig zu atmen, um Vera nicht beim Einschlafen zu stören.
    Wieder nach einer Weile, gerade als ich sicher bin, dass Vera schläft, nimmt sie meine Hand und beginnt, sie zu streicheln.

10
    Jedes Wort hätte uns ein wenig von dem genommen, was wir uns gegeben haben. Mara ist nicht hier, aber ihre Stimme ist in meinem Kopf, die Art, wie sie die Worte in die Länge zieht, wie sie am Ende eines Satzes, obwohl sie eine Aussage macht, eine Frage zu stellen scheint.
    Das höre ich, während ich auf dem Rasen vor Maras Holzhaus sitze.
    Ich habe begonnen, auf ihre Rückkehr zu warten.
    Liebe könnte bedeuten:
    den Tod eines anderen mehr zu fürchten als den eigenen.
    »Eine gute Idee, mein Lieber, diesen sonnigen Tag im Freien zu verbringen«, sagt die Stimme des Polizisten. Ich sehe, auf dem Rasen vor Maras Holzhaus sitzend, seinen Schattenriss.
    »Sie schon wieder«, sage ich. »Was ist denn noch?«
    »Was ist denn noch, was ist denn noch?! Sie sind gut! Schon vergessen, dass wir mitten im Gespräch unterbrochen wurden?«
    »Aber Sie haben doch gesagt …«
    »Ja?«
    »Sie haben gesagt, dass wir gehen dürfen, Sie haben uns noch einen schönen Tag gewünscht.«
    »Sicher.«
    »Aber …«
    »Von mir aus wünsche ich Ihnen auch jetzt einen schönen Tag. Ja, ich wünsche Ihnen einen wunderschönen Tag, den besten, den Sie sich vorstellen können. Zufrieden?«
    »Nein. Was …«
    »Im Übrigen sind wir hier, um ein Wunder zu wirken.«
    »Wie bitte?«
    »Ach, Entschuldigung, wir sind zu zweit gekommen, hier, ja, hier rechts von Ihnen steht noch einer.«
    Ich wende mich nach rechts und sehe einen zweiten Schattenriss.
    »Hallo«, sagt die Stimme des zweiten Schattenrisses. Ich kenne die Stimme, es ist die Stimme des Arztes.
    »Hallo«, sage ich.
    »Wie geht es Ihnen heute?«, fragt der Arzt.
    »Gleichbleibend«, sage ich.
    »Wo ist denn Ihre Mara?«, fragt der Arzt.
    »Sie ist zum Hotel gefahren. Sie arbeitet dort.«
    »Haben Ihnen die Tropfen geholfen?«
    »Leider nein.«
    »Keinerlei Veränderung?«
    »Nein.«
    »Das heißt, Sie sehen nichts, nicht das Geringste?« Das ist die Stimme des Polizisten.
    »Nein, leider.«
    »Hm, hm«, meint der Polizist.
    »Was heißt hier hm, hm?«
    »Hm, hm, ich glaube Ihnen nicht.«
    »Was?«
    »Ich glaube, dass Sie lügen, ha!«
    »Was soll das jetzt schon …«
    »Weshalb ich gekommen bin, um Ihnen Ihr Augenlicht zurückzugeben.«
    »Ich denke, Sie sollten …«
    »Weil ich nämlich glaube, dass Sie es nie verloren haben, ha, ha!«
    »Wenn Sie …«
    »Ein Wunder wirken!«
    »Hören Sie doch auf …«
    »Wir werden der Sache jetzt mal auf den Grund gehen«, sagt der Polizist.
    Ich möchte noch einmal neu ansetzen, etwas Sinnloses zu sagen, aber da trifft mich ein Tritt gegen das Gesicht, ich schlage mit dem Hinterkopf auf dem Rasen auf und spüre gleich anschließend Tritte im Unterleib.
    »Es ist wie ein Wunder!«, hechelt der Polizist.
    »Langsam«, sagt der Arzt.
    »Ich … krieg … dich … dran … du … Drecksau …«, sagt der Polizist, während er auf mich eintritt.
    »Beruhigen Sie sich doch«, sagt der Arzt.
    »Und … wenn … du … der … Erste … und … Letzte … bist … den … ich … zur … Strecke … bringe …«
    »Das geht so nicht«, sagt der Arzt.
    »Na, geht das oder geht es nicht?! Sieht der was
oder sieht der nichts?!«, ruft der Polizist ganz außer Atem.
    »Ich denke, wir sollten wirklich gehen.«
    »Ha, ha!« Der Polizist.
    »Schluss jetzt, das reicht!« Der Arzt.
    »Sie haben recht«, sagt der Polizist, plötzlich die Ruhe selbst. »Wir gehen. Wir gehen den schönen Tag genießen, den wunderschönen Tag, den besten, den wir uns vorstellen können. Und Sie, mein Lieber, liegen flach. Bis demnächst.«
    »Auf Wiedersehen«, sagt der Arzt.
    Sie sind schon ein Stück entfernt, als ich noch einmal die Stimme des Polizisten höre. »Moment noch«,

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