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Schattentag: Kriminalroman (German Edition)

Schattentag: Kriminalroman (German Edition)

Titel: Schattentag: Kriminalroman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Costin Wagner
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sagt er, ich höre seine Schritte, die auf mich zukommen, und ich krümme mich schon zusammen in Erwartung seiner Tritte. Aber er stellt nur irgendetwas auf den Rasen neben mich.
    »Bis bald, mein Lieber«, sagt er.
    Ich höre noch, wie die beiden Worte wechseln, der Polizist und der Arzt, Worte, die ich nicht verstehe und die ohnehin bald vom Meeresrauschen geschluckt werden.
    Maras Hand, die an meinem Hals entlangstreicht.
    »Was ist mit dir?«, fragt sie.
    »Nichts. Was meinst du?«
    »Du hast mir einen Schrecken eingejagt. Du hast wie tot dagelegen, als ich angekommen bin.«
    »Nichts, es ist nichts.«
    »Und du hast Schrammen im Gesicht.«
    »Hm.«
    »Und blaue Flecken an den Armen.«
    »Alles in Ordnung.«
    »Na, dann, nimm wenigstens einen Löffel zur Stärkung.«
    Ich spüre kühl den Löffel an meinen Lippen.
    »Was ist das?«
    »Na, Honig.«
    »Honig?«
    »Der Honig, der hier neben dir auf dem Rasen steht. Den musst doch du dir da hingestellt haben.«
    »Ach so …«
    »Oder war der Polizist noch mal da?«
    »Nein … Ja, doch, er hatte ein paar Fragen … nichts Besonderes.«
    »Wie nett.«
    »Hm?«
    »Wie nett. Ich meine, dass er uns Honig mitgebracht hat.«
    »Ja, ja …«
    »Nimm noch einen Löffel.«
    »Nein, ich …«
    »Komm schon!«
    Ich schlucke das süße Zeug und male mir das Bild aus:
    Gelb Maras Fahrrad.
    Rot das Holzhaus.
    Grün der Hügel.
    Golden klebrig das Glas mit Honig.
    »Und einen noch für Mara«, sagt Mara und stopft den Löffel in meinen Mund.

11
    Es ist einfach nicht zu beantworten.
    Immer, wenn Sandra mit ihrem sehr großen Helm auf dem Pferd zu galoppieren beginnt, beginne ich zu ahnen, dass es weitergehen wird, immer weiter und weiter und weiter. Sandra, auf ihrem Pferd galoppierend, löst in mir ein lähmendes Gefühl für Unendlichkeit aus.
    Die Grundfarben sind Rot, Gelb und Braun. Der Reiterhof liegt in roter Abenddämmerung, die Blätter sind gelb, die Ställe, die Reithalle und der Schäferhund neben mir sind braun. Der Schäferhund wimmert vor sich hin, vielleicht, weil man ihn an einer wenige Meter langen Leine festgebunden hat.
    »Guck doch mal, Papa!«, schreit Sandra.
    Ich wende den Blick von dem Hund ab und sehe wieder Sandra beim Reiten zu. Der große Helm, das große Pferd, die kleine Sandra. Angst scheint sie nicht zu haben.
    Während ich Sandra zusehe, habe ich meine Hände tief in meinen Manteltaschen eingegraben und hüpfe ab und zu von einem Bein auf das andere. Es ist kalt, demnächst kommt der Winter. Jedes Mal, wenn Sandras Augen mich streifen, sehe ich dieses nicht zu steigernde Glück in ihnen. Ich lächle zurück.
    Als wir später nach Hause fahren, leuchtet das Display, das die Geschwindigkeit anzeigt, zartorange. Der Lichtkegel der Scheinwerfer bricht die Dunkelheit und die Straße, auf der wir fahren, bricht einen Wald in zwei Teile. Sandra riecht streng nach Pferd und lächelt vor sich hin. Das Pferd heißt Lupo, obwohl es eine Stute ist.
    Der Wagen schwebt sanft dahin, Musik dudelt leise. Vera erwartet uns an der Tür. Sie erwidert Sandras Lächeln, aber sie sieht angestrengt aus.
    Während Sandra eine Fernsehserie ansieht und wir noch beim Abendbrot sitzen, erzählt Vera von einem Schüler, der seine Mutter gefunden hat, aufgehängt im Waschkeller. Ihre Stimme bricht. Vera arbeitet als Lehrerin an einer Grundschule.
    »Wie alt ist er? Der Schüler, meine ich.«
    »Neun«, sagt Vera.
    »Wie Sandra«, sage ich. Ich beuge mich ein wenig auf die Seite und sehe Sandra im Wohnzimmer vor dem Fernseher sitzen.
    »Und die Frau?«
    »Was meinst du?«, fragt Vera.
    »Wie alt war die Frau?«
    »Ich weiß nicht. Ich denke, Mitte dreißig.«
    »Hm.«
    »Sie war eigentlich sehr … liebevoll. Beim letzten Schulfest hatte sie das Sackhüpfen gemacht, weißt du?«
    »Ja, doch.« Ich erinnere mich tatsächlich. Diese Frau also. Diese Frau soll sich aufgehängt haben? »Ja, doch«, sage ich noch einmal.
    »Du hast da doch mitgemacht. Hast du nicht sogar irgendwas gewonnen?«
    »Ja, ja, ein Stofftier, einen Affen, glaube ich. Ja, einen Affen.«
    »Das hatte alles sie organisiert.«
    »Der Affe war der Trostpreis für die lächerlichste aller Vorstellungen«, sage ich. Vera lächelt ein wenig, aber sie ist mit den Gedanken weit weg. »Ich bin doch dauernd hingefallen«, sage ich. »Die Schüler haben sich schlapp gelacht.«
    »Das ist etwas, das bleibt«, sagt Vera. Sie hebt den Blick und trifft meine Augen. »So etwas ist doch nicht zu bewältigen. Ich verstehe

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